Mediziner warnen zur Grippe-Saison: Falsche Antibiotika-Einnahme hat fatale Folgen
NÖ. Patienten mit Erkältungs- und grippeähnlichen Symptomen sorgen in diesen Wochen für volle Arztpraxen in ganz Österreich. Um rasch wieder gesund zu werden, wird häufig der Ruf nach einem Antibiotikum laut. Stecken Viren hinter der Erkrankung, sind Antibiotika jedoch völlig wirkungslos. Nimmt man sie trotzdem ein, fördert das die Entwicklung von Resistenzen – Bakterienstämme „gewöhnen“ sich daran und Antibiotika verlieren ihre Treffsicherheit.

Aktuell herrscht in Österreichs Arztpraxen Hochsaison. Viele Menschen sind an grippalen Infekten, aber auch an der „echten“ Grippe (Influenza) oder Covid erkrankt. Bei Symptomen wie Halsschmerzen, Fieber, Schüttelfrost oder Gliederschmerzen erachten viele die Verschreibung eines Antibiotikums als Garant für rasche Besserung. Doch das ist mitunter ein Trugschluss.
Medizinerin Anna-Christina Bernd „Wissen der Patienten ist ausbaufähig“
„Grippeähnliche Symptome werden meist durch Viren verursacht, gegen die Antibiotika unwirksam sind“, hält die Medizinerin Anna-Christina Bernd fest. Das Wissen der Patienten über diese Medikamente ist ausbaufähig. Laut dem Risikobarometer 2023 der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) gab bei einer repräsentativen Umfrage mehr als jeder dritte Befragte (35 Prozent) an, dass Antibiotika gegen Viren wirken.
Das ist definitiv falsch und eine mögliche Erklärung dafür, warum sowohl Anna-Christina Bernd als auch Alexander Kober im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit feststellen, dass Patienten auch bei viralen Infekten auf eine Verschreibung drängen. Der Allgemein- und Intensivmediziner betont: „Antibiotika werden in Österreich generell zu häufig verschrieben. Das begünstigt natürlich Resistenzen.“
Wie Antibiotika ihre Wirkung verlieren
Unter Resistenzen versteht man, dass sich Bakterienstämme an Antibiotika gewöhnen und lernen, sich der Wirkung zu entziehen. „Das passiert beispielsweise, wenn sie zu häufig oder unsachgemäß eingesetzt sowie falsch dosiert werden“, erklärt Bernd. In diesem Zusammenhang richtet Kober einen eindringlichen Appell an Patienten: „Bitte Antibiotika niemals früher absetzen als vom Arzt verschrieben. Vorzeitige Therapieabbrüche steigern das Risiko von Resistenzen enorm!“
Hintergrund ist, dass die am Therapieende überlebenden Bakterien in der Folge viel mehr Widerstandsfähigkeit aufbauen, so der Experte. Während die Wirkung im Bereich der Atemwege aus seiner Sicht noch recht gut ist, stuft er die Lage im Bereich Harnwege und chronischer Wunden problematischer ein.
Antibiotikaresistenzen führen nicht nur dazu, dass diese Medikamente gegen gewisse Bakterien nicht mehr wirken, sondern können auch folgenschwere Komplikationen nach sich ziehen. Dies zeigt Anna-Christina Bernd auf: „Eine unbehandelte symptomatische Harnwegsinfektion kann zu einer Nierenbeckenentzündung oder im schlimmsten Fall sogar zu einer Sepsis (Blutvergiftung, Anm.) führen.“
Laut Ages-Risikobarometer ist die Entwicklung resistenter Bakterien die Hauptsorge der Menschen bei der Einnahme von Antibiotika, das gaben zwei Drittel der Befragten an.
Resistenzen als tödliche Gefahr
Auch wenn Resistenzen im hausärztlichen Bereich durch sogenannte „Reserveantibiotika“ meist gut umschifft werden können, handelt es sich um ein sehr ernstzunehmendes Problem. Ganz besonders wird das im Bereich der Intensivmedizin deutlich. Hier droht fast immer Lebensgefahr, macht Kober deutlich: „Patienten auf Intensivstationen sind schwer krank und bedürfen rascher und wirksamer Therapie. Befällt ein multiresistenter Keim einen solchen Kranken, kann das im Rahmen einer Sepsis sehr rasch zum Tode führen.“
Passend dazu stufen, wieder laut Ages-Risikobarometer, zwei von drei Befragten die Infektion mit antibiotikaresistenten Keimen in Krankenhäusern als größtes Risiko rund um Antibiotikaresistenzen ein. Eine große, über drei Jahrzehnte (von 1990 bis 2021) angelegte Studie der University of Washington verdeutlicht die dramatischen Folgen antibiotikaresistenter Keime: Gemäß Prognose der Forscher könnten bis 2050 weltweit mehr als 39 Millionen Menschen daran sterben, bei weiteren 169 Millionen Todesfällen könnten derartige Keime zumindest beteiligt sein.
Exakte Diagnose für Therapie unerlässlich
Was können Patienten tun, um das Problem so gut es geht einzudämmen? „Zunächst einmal, sorgsam mit Antibiotika umgehen und diese so lange einnehmen, wie es der Arzt verordnet. Darüber hinaus sollte man keinesfalls das Verschreiben eines Antibiotikums aktiv einfordern, insbesondere dann nicht, wenn nicht feststeht, dass Bakterien die Auslöser der Erkrankung sind. Vielmehr sollte man aktiv die Entwicklung der Symptome schildern, um Ärzte bei der Beurteilung des Krankheitsbildes zu unterstützen“, erklärt DocFinder-Geschäftsführer Gerald Timmel.
Ärzten wiederum stehen Schnelltests zur Verfügung, mit denen sie abklären können, ob der Infektion Viren oder Bakterien zugrunde liegen. Ob die Einnahme eines Antibiotikums sinnvoll ist, müssen Ärzte natürlich immer im Einzelfall prüfen, generell plädieren beide Mediziner aber für einen maßvollen Umgang, auch bei Bakterien als Ursache.
Dazu sagt der Mediziner Kober: „Ein seriöser Umgang mit Antibiotika bedeutet, wann auch immer möglich, eine Kultur anzulegen, den Keim zu bestimmen, das Resistenzmuster zu überprüfen und in weiterer Folge das gewählte Antibiotikum an das Resistenzmuster des Keimes anzupassen.“
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