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„Wir schenken Zeit, wir schenken Aufmerksamkeit“: 30 Jahre Hospizbewegung in Oberösterreich

Tips Logo Karin Seyringer, 21.11.2024 21:03

OÖ/LINZ/VÖCKLABRUCK. „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Dieser Leitspruch von Cicely Saunders, Gründerin der Hospizbewegung im England der 60er Jahre, ist auch heute noch grundlegend für die Hospiz- und Palliativversorgung. Seit 30 Jahren besteht die Hospizbewegung mittlerweile auch in Oberösterreich. Eine Erfolgsgeschichte, die aber auch vor Herausforderungen steht.

Anlässlich 30 Jahre Hospizbewegung in Oberösterreich gaben (v. l.) die ehrenamtliche Mitarbeiterin Manuela Glantschnig, Ulrike Pribil (KinderPalliativNetzwerk, stv. Vorstandsvorsitzende Landesverband Hospiz OÖ), Vorstandsvorsitzende Christina Grebe (Salzkammergut Klinikum Vöcklabruck) und der Geschäftsführer der Miteinander GmbH, Einblick. (Foto: Tips/ks)
Anlässlich 30 Jahre Hospizbewegung in Oberösterreich gaben (v. l.) die ehrenamtliche Mitarbeiterin Manuela Glantschnig, Ulrike Pribil (KinderPalliativNetzwerk, stv. Vorstandsvorsitzende Landesverband Hospiz OÖ), Vorstandsvorsitzende Christina Grebe (Salzkammergut Klinikum Vöcklabruck) und der Geschäftsführer der Miteinander GmbH, Einblick. (Foto: Tips/ks)

Mit der Gründung vor 30 Jahren war der Landesverband OÖ der erste in Österreich. Die Hospizbewegung in Oberösterreich ist auch ein Bereich, der wie kaum ein anderer im Gesundheitswesen in den letzten drei Jahrzehnten gewachsen ist, ausgebaut wurde und weiterhin ausgebaut wird.

Auch weil es notwendig ist, aufgrund der demografischen Entwicklung und medizinischen Möglichkeiten zur Lebensverlängerung. Dadurch wird der ethische Aspekt aber auch zum großen Thema – ist es noch Lebensqualitätsverbesserung oder Leidensverlängerung?

Wie auch beim Zitat Eingangs steht klar im Vordergrund: „Die Hospiz- und Palliativarbeit dient der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen in der letzten Lebensphase. Es ist ein multiprofessioneller Ansatz, der natürlich Medizin und Pflege umfasst, aber auch sehr stark auf die psychosozialen Bedürfnisse fokussiert“, so Oberärztin Christina Grebe, Vorstandsvorsitzende des Landesverbands Hospiz OÖ und Ärztliche Leiterin der Palliativstation am Salzkammergut Klinikum Vöcklabruck. Dabei gehe es viel auch um Unterstützung für die Angehörigen.

„Wir schenken Zeit, wir schenken Aufmerksamkeit“

Einen großen Beitrag in der Hospizbewegung leisten Ehrenamtliche. „Wir haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter eigentlich als Basis zu bezeichnen. Diese ganze Hospizbewegung ist ja aus der Ehrenamtlichkeit entstanden“, so Grebe.

Eine solche engagierte ehrenamtliche Mitarbeiterin ist Manuela Glantschnig. Die hauptberuflich Klinische Sozialarbeiterin engagiert sich seit zehn Jahren ehrenamtlich beim Mobilien Hospizteam der Caritas Linz. Die 33-jährige, mit 23 Jahren hat sie begonnen, ist gleichzeitig die jüngste ehrenamtliche Mitarbeiterin. „Mit ist es ein besonderes Anliegen, den Hospiz und Palliativgedanken an junge Menschen heranzutragen. Weil: Sterben und der Tod hat kein Alter. Man ist als Angehöriger davon betroffen, selbst junge Menschen sterben.“

Was Glantschnig besonders hervorhebt: „Jeder Fall oder jede Person, jede Familie, die man begleitet, ist individuell. Oft sind die Diagnosen ziemlich ähnlich, aber die Begleitungen sind sehr individuell. So individuell wie Menschen leben, so sterben sie auch.“

Und: „Das Schöne an der Begleitung ist, dass man da einfach mitgehen darf. Wir als Ehrenamtliche haben etwas, was in der heutigen Zeit eher wenig vorhanden ist: Wir schenken Zeit, wir schenken Aufmerksamkeit. Wir haben die Möglichkeit, dass wir ein, zwei Stunden beim Bett sitzen, ohne dass wir etwas sagen, ohne dass wir ein großes Gespräch führen müssen. Wir sind einfach nur da“, erzählt sie. Vor allem sei es oft auch gut, wenn jemand da sei, der – anders als Angehörige – nicht unmittelbar betroffen ist und einfach nur Verständnis habe, nicht bewerte.

Sehr wichtig ist zudem die Angehörigenarbeit, „man kommt als angehörige Person an eigene Grenzen, gerade wenn es im häuslichen Kontext passiert, was man als mobiles Team ja ermöglichen möchte. Da ist es für mich wichtig, dass Angehörige ein offenes Ohr finden und sagen können, wie es ihnen geht“, erzählt Manuela Glantschnig.

Versorgung wird ausgebaut

In Oberösterreich hat sich die sogenannte „Abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung“ etabliert. Rund 80 Prozent der Menschen am Lebensende werden in der Grundversorgung – Alten- und Pflegeheime, Spitäler, in der Mobilen Betreuung und Pflege und im niedergelassenen Bereich bzw. von Therapeuten – betreut.

„Rund 20 Prozent brauchen spezialisierte Angebote“, so Grebe. Dazu zählen Palliativstationen und Konsiliardienste in den Spitälern, Mobile Palliativteams und ehrenamtliche Mitarbeiter der Mobilen Hospizteams, stationäre Hospizen, Tageshospize und speziell für Kinder- und Jugendliche das KinderPalliativNetzwerk. „Kinder oder Familien mit einem betroffenen Kind haben einfach ganz, ganz besondere Bedürfnisse. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, weiß Ulrike Pribil, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbands und Geschäftsführerin des KinderPalliativNetzwerks.

Der Verband fühlt sich wertgeschätzt und gut unterstützt. Bis 2027 wird in Oberösterreich das stationäre Hospiz- und Palliativ-Angebot schrittweise ausgebaut.

Mehr lesen: „Zuhause ist kein Ort, Zuhause ist ein Gefühl“: Hospiz- und Palliativ-Angebot in Oberösterreich wird bis 2027 schrittweise ausgebaut

Mitarbeitende rüsten

Um die Fachkräfte in der Grundversorgung bestmöglich zu unterstützen, gibt es gezielte Projekte. Darunter das Projekt HiM OÖ gemeinsam mit der ARGE der Anbieter der Mobilen Betreuung und Pflege. Damit wurden die Hospiz- und Palliativ-Kompetenzen der Mitarbeitenden für die besondere Situation am Lebensende gestärkt, sie werden sensibilisiert und gerüstet. „Es geht neben der Schulung um Einfühlungsvermögen, Bedürfnisse wahrzunehmen. Und es geht ganz viel um Würde“, so Gerald Rechberger, Geschäftsführer der Miteinander GmbH. Ein Ziel von HiM OÖ war es auch, unnötige Einweisungen ins Krankenhaus, „unnötige Sterbefälle, die außerhäuslich passieren, zu vermeiden. Wenn man Leute auf der Straße fragt, wo sie sterben wollen, dann sagt ja jeder, ich will daheim sterben“, so Rechberger.

Ein ähnliches Nachfolgeprojekt ist „HPCPH – Hospizkultur und Palliative Care in Alten- und Pflegeheimen“, das seit 2022 in OÖ ausgerollt wird. Aktuell entsteht das Projekt „HPC im Krankenhaus“, beteiligt sind das Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck und das Klinikum der Barmherzigen Brüder Linz. Der Schwerpunkt „Menschen mit Beeinträchtigung“ wurde österreichweit aufgegriffen, Pilotprojekte werden voraussichtlich auch in Oberösterreich starten.

Aber auch in der Bevölkerung bestehe großer Bedarf an Palliativ-Wissen, Angebote wie „Letzte Hilfe-Kurse“ und Projekte wie „Hospiz macht Schule“, bei dem das Thema Sterben, Tod und Trauer mit Kindern und Jugendlichen besprochen wird, würden sehr gut angenommen, so Grebe.

Ein erfolgreiches System mit möglichen Grenzen

Grebe und Ulrike Pribil machen anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Hospizbewegung in Oberösterreich aber auch auf Herausforderungen aufmerksam.

Der Fachkräftemangel macht auch vor diesem Angebot nicht Halt. Ein Rückgang ehrenamtlich engagierter Menschen, aber auch die Umsetzung neuer Vorgaben (2022 wurde das Hospiz- und Palliativfondsgesetz zur Finanzierung in Österreich beschlossen) könnte die Erfolgsgeschichte an die Grenzen bringen. Gewachsene Strukturen müssten beibehalten werden, es bestehe die Gefahr der Vereinheitlichung und Bürokratisierung. Man wolle nicht auf Kennzahlen reduziert werden.

Und: „Jüngere Generationen ins Ehrenamt zu kriegen, junge Menschen zu motivieren, in den Palliativ-Bereich zu gehen, das ist ein sehr großes Ziel von uns“, so die Vorstandsvorsitzende des Landesverbands.

Mehr Infos: www.hospiz-ooe.at

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