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Weihnachtsfest in den 1970er-Jahren

Leserartikel Wolfgang Simlinger, 23.12.2023 06:41

ST. VALENTIN. Ein Kipper und ein Bagger aus Plastik das waren die Weihnachtsgeschenke, die Tips-Redakteur Wolfgang Simlinger Anfang der 1970er- Jahre unter dem Christbaum fand. Weihnachten vor 50 Jahren fiel deutlich bescheidener aus. Die Freude über die Geschenke war dennoch groß.

Weihnachten Anfang der 1970er Jahre sah anders aus als heute (Foto: Simlinger)
  1 / 4   Weihnachten Anfang der 1970er Jahre sah anders aus als heute (Foto: Simlinger)

Die grauen Herbstabende bieten eine gute Gelegenheit, in alten Kisten herumzustöbern, die besondere Schätze beherbergen. Mein Vater kaufte sich bei meiner Geburt eine Voigtländer Kamera, um das Familienleben zu dokumentieren. Filme waren damals teuer und die Fotografie beschränkte sich auf wichtige Ereignisse: Geburtstage, Ostern, Weihnachten, den Ausflug im Sommer, die neue Küche. Auf einem Filmstreifen entdecke ich mich: Voller Freude sitze ich als kleiner Knirps vor dem Christbaum, denn das Christkind hatte ganz besonders an mich gedacht. Es brachte einen Bagger und zwei Kipplastwagen. Aufgewachsen in einer Langenharter „Häuslbauersiedlung“ waren die Erd- und Sandhaufen hinter dem halb fertigen Haus mein Spielplatz und ein Plastikbagger war das ideale Spielzeug, um am Erdhaufen meine eigene „Baustelle“ zu eröffnen.

Hausbau als Lebensinhalt

Mein Elternhaus sah zwar schon aus wie ein richtiges Haus, fertig war es aber noch lange nicht. Das obere Geschoß war nicht ausgebaut, der Garten eine „Gstättn“. Die Mischmaschine stand immer startbereit, denn die Eltern nutzten jede freie Minute, um am Haus weiterzuarbeiten. Der Traum vom eigenen Heim wollte verwirklicht werden und das ganz ohne Kredit. Es wurde eisern gespart und der Bau fortgesetzt, wenn wieder Geld am Konto war. Einmal wurde die Garage errichtet, dann der Gartenzaun. Im nächsten Jahr wurde das Obergeschoß ausgebaut, tapeziert und die Küche eingerichtet. Der Hausbau zog sich oft über viele Jahre, einige Eigenheime standen bis in die 1980er-Jahre als unverputzte Rohbauten in der Landschaft.

Praktische Geschenke

Auch zu Weihnachten stand der Haushalt im Mittelpunkt. Die Eltern schenkten sich gegenseitig Werkzeug und Haushaltsgeräte. Neben der Küchenmaschine lagen noch eine Schneeschaufel und ein Werkzeugkasten unter dem Christbaum. Für Luxusgeschenke, große Feierlichkeiten oder gar Reisen war weder Geld noch Zeit vorhanden, denn die Fertigstellung des Eigenheims hatte Priorität. Auch wenn das Haus schon bewohnbar war, so brauchte es noch viel Zuwendung. Geheizt wurde damals noch mit Kohle und bereits im Herbst mussten sich die Eltern darum kümmern, dass der Kohlebunker im Keller gefüllt war. Die manuelle Heizung brauchte viel Zuwendung, denn es mussten regelmäßig Briketts nachgelegt werden und die Umlaufpumpe kontrolliert werden. Die unfertige Umgebung störte uns Kinder am wenigsten, im Gegenteil: Sie war für uns ein riesiger Abenteuerspielplatz. Wir nutzten im Winter die Erdhaufen als Schlittenhügel, gruben im Sommer Löcher in den Erdhaufen und fegten mit dem Tretroller über die Schotterpiste, denn Asphaltstraße gab es noch keine in der Langenharter Siedlung und der Verkehr war überschaubar.

Auch der Ennser Ferdinand Pay hat ähnliche Erinnerungen an Weihnachten. Es gab in erster Linie praktische Geschenke, angefangen vom selbst gestrickten Wollpullover und Socken bis hin zu Skiern. Gegessen wurden traditionellerweise selbst gemachte Bratwürstel. Auch „Luxusgeschenke“ wie ein Zimmertelefon, mit dem man von einem Zimmer ins andere kommunizieren konnte, waren manchmal dabei.

Fahrt ins Schlaraffenland

Ein „richtiges“ Telefon gab es nicht in jedem Haushalt und meine Eltern gingen regelmäßig zur Telefonzelle, um mit den Verwandten Kontakt aufzunehmen. Meist um die Weihnachtszeitgingen die Eltern auf die Post, um die Verwandten im Ausland anzurufen. Zu Weihnachten wurde dem bescheidenen Landleben der Rücken gekehrt und wir besuchten die Verwandtschaft im Innviertel. Von dort war es nur ein Katzensprung ins benachbarte Bayern. Deutschland war Anfang der 70er-Jahre wirtschaftlich weiter entwickelt. Es gab ein größeres Warenangebot und die Preise waren niedriger als in Österreich. Mich faszinierte vor allem die große Auswahl an Spielsachen und das deutsche Fernsehprogramm mit einem großen Angebot an Kinderserien. Auch wenn der Lebensstandard vor 50 Jahren im Vergleich zu heute bescheiden war und die Situation auf den Bildern ärmlich wirkt, erinnert man sich gerne an die Zeit zurück. Eine soziale Ausgrenzung, weil man kein Auto oder Telefon hatte, gab es damals aber kaum. Denn nur wenige Menschen lebten im Luxus und konnten sich teure Geschenke, Fahrzeuge oder gar Flugreisen leisten.


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