BAD ISCHL/EBENSEE/GOSAU/ST. KONRAD. Vier Studierende haben sich ein ganzes Semester lang mit der Thematik „Wohnen der Zukunft“ in vier Orten im Salzkammergut beschäftigt. Am Sonntag, 30. Juni, präsentierten sie ihre Ergebnisse.

„Ich komme auf jeden Fall wieder nach Ebensee. Im Jänner möchte ich mir den Glöcklerlauf ansehen“, sagt Tanja Stapelbroek, die das Sommersemester in Ebensee verbracht hat und im Rahmen des Rurasmus-Programmes an einem Konzept für die Belebung der Marktgasse arbeitete.
Studentenaustausch im ländlichen Raum
Erasmus ist den meisten Menschen ein Begriff: Ein Austauschprogramm der Europäischen Union, bei dem Studierende aus der EU ein Semester an einer Partner-Universität im Ausland verbringen. Seit 2022 gibt es nun auch das Rurasmus-Programm: Rurasmus setzt sich aus den Worten „rural“ für ländlich und „Erasmus“ zusammen und ist ebenfalls ein Austauschprogramm, bei dem Studierende ein Semester an einer anderen Universität verbringen. Der Unterschied: Die Zielorte befinden sich nicht etwa in den USA oder China, sondern im ländlichen Raum – wie etwa in Österreich.
Im Rahmen der Kulturhauptstadt fand in diesem Sommersemester, von Anfang März bis Ende Juni, das Rurasmus-Austauschprogramm im Salzkammergut statt. In insgesamt sechs Gemeinden – vier davon im oberösterreichischen Salzkammergut – arbeiteten sechs Studierende an verschiedenen Projekten, die allesamt das Thema „Wohnen der Zukunft“ überhatten. Im Bezirk Gmunden forschten Studenten etwa in Bad Ischl, Ebensee, Gosau und St. Konrad. Zusätzlich forschte eine Gruppe in Altmünster. Ihre Ergebnisse der viermonatigen Arbeit präsentierten die vier Studierenden am Sonntag, 30. Juni, in der Trinkhalle Bad Ischl.
„Roith - Mischung möglich“ in Bad Ischl
In Bad Ischl etwa forschte die 22-jährige Daria Kariakina, die in Berlin Stadtplanung studiert. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit entschied sich die Studentin, sich für das Projekt in Bad Ischl zu bewerben. Konkret geht es dabei um den Ortsteil Roith und den Projekttitel „Roith – Mischung möglich“. Ziel ist es, den Ortsteil zu beleben und auch fern von sozialem Wohnbau als erstrebenswerten Wohnort zu gestalten. „Ich hab die Menschen vor Ort kennengelernt. Dabei haben mir die Frühlingsfeste von ‚Wohnen im Dialog‘ sehr geholfen“, so Kariakina. Mit ihren Ergebnissen, die sie auf zwei Plakaten zusammengefasst hat, sei sie sehr zufrieden, wie sie sagt. Die Vorschläge, wie der Ortsteil belebt werden könne, reichen von einem neuen Bodenbelag für den Fußballplatz, Mülltonnenboxen, „damit die nicht so prominent auf der Straße stehen“ bis hin zu einem Flächentausch zwischen dem städtischen Wirtschaftshof, der eine Lagerfläche in Roith besitzt. Tausche man die Fläche, könne man dort neue Häuser bauen. Ihre Pläne hat sie in unterschiedlichen grafischen Zeichnungen auf den Plakaten vermerkt. Am wichtigsten bei ihren Visionen zur Belebung von Roith, ist Kommunikation. „Wenn eine Entwicklung stattfindet, dann soll das den Menschen vor Ort rechtzeitig kommuniziert werden“. Sie habe gemerkt, „dass die Menschen wollen, dass die Idee weitergeführt wird“.
„Leergut Leerstand“ in Gosau
Adilet Alymbekov studiert Nachhaltiges Immobilienmanagement an der FH Kärnten und beschäftigte sich mit dem Thema „Leergut Leerstand“ in Gosau. Während seiner Arbeit in Gosau habe er festgestellt, dass das Thema Leerstand aus mehreren komplexen Ebenen bestehe. „Es ist kein Paradox, dass Immobilienpreise stetig steigen, während viele Gebäude teilweise oder ganz leer stehen“. Strategien zur Bekämpfung müssen laut Alymbekov daher „multidimensional sein und innovative Lösungen“ bieten. Er erstellte einen „Katalog der Möglichkeiten“, in dem Vorschläge zur Aktivierung und sinnvollen Nutzung von Leerständen gesammelt wurden und richtet sich vor allem an Eigentümer, die unsicher sind, wie sie mit ihrem Leerstand umgehen sollen. Dieser „ReRaumGosau“-Katalog bleibe als Ressource bestehen und kann von der Gemeinde und privaten Eigentümern genutzt werden, um nachhaltige Wohnkonzepte zu entwickeln und umzusetzen, erzählt Alymbekov. Die Zusammenarbeit in Gosau sei „wirklich ausgezeichnet“ gewesen, so der Student, ein besonderer Höhepunkt sei eine Einladung zum Abendessen im Haus des Gosauer Amtsleiters Bernd Gamsjäger gewesen – „ein Zeichen der Gastfreundschaft und Wertschätzung“.
„Leergut-Ensemble Marktgasse“ in Ebensee
Unter dem Projekttitel „Leergut-Ensemble Marktgasse“ forschte die 25-jährige Weimarer Urbanistik-Studentin Tanja Stapelbroek in Ebensee. War die Marktgasse einst florierendes Zentrum in Ebensee, stehen aktuell etwa 50 Prozent der Gebäude dort leer. Die Aufgabe Stapelbroeks war es, einen „Prozess anzustoßen und Leute zu aktivieren, damit sich da weiter drum gekümmert“ werde, erklärt sie. Mit dem Ergebnis ist die Studentin „relativ zufrieden“, sie habe viele verschiedene Formate anwenden können und „am Ende des Tages ist die Marktgasse ein bisschen bunter und grüner geworden“. Gemeinsam mit Bürgermeisterin Sabine Promberger (SP) habe sie nämlich Pflanzen eingekauft und an alle Eigentümer in der Marktgasse verteilt, als „symbolische Wertschätzung, dass die Leute aktiv die Marktgasse beleben“. Durch und während ihres Projektes seien zwei Leerstände in der Marktgasse aktiviert worden und der Ebenseer Verein für Stadtentwicklung habe ebenfalls „neuen Aufschwung erhalten“, freut sich die Studentin.
„Dichter Wohnmix Jung und Alt“ in St. Konrad
„In St. Konrad gibt es ja das Problem von zu wenig Wohnraum und keine zukunftsfähigen Wohnformen für die ältere Bevölkerung“, erzählt Lukas Hegendörfer, der in Nürnberg Architektur studiert. Seine Masterarbeit schrieb der 28-jährige nun in St. Konrad und beschäftigte sich mit Vierkanthöfen in dem 1.100 Einwohner Dorf. Aus den 38 Vierkanthöfen der Gemeinde spezialisierte sich Hegendörfer auf einen im Ortskern, in dem früher eine Fleischerei sowie ein Gasthaus beherbergt waren. Mit Hilfe der Hauschronik, die vom Ururgroßvater des Hausbesitzers händisch verfasst worden sei, habe sich Hegendörfer mit dem Typus des Hofes auseinandergesetzt. Er entwarf letztlich ein Konzept des Vierkanthofes mit 15 Wohneinheiten: zum Teil barrierefrei und mit Aufzug nach oben für die ältere Bevölkerung, ebenso wie kleinere und etwas größere Wohnungen für junge Menschen und Familien. Die Idee geht jedenfalls in Richtung „verdichteter Wohnraum“, erklärt Hegendörfer. Die Arbeit in St. Konrad habe Hegendörfer sehr gut gefallen, „ich habe mir hier ein Leben aufgebaut und nebenbei meine Masterarbeit geschrieben“, beschreibt der Nürnberger seine Erfahrungen. Sein „Rurasmus-Buddy“ Herbert Schönberger, VP-Bürgermeister von St. Konrad, habe ihn tatkräftig unterstützt und ihn zu unterschiedlichsten Veranstaltungen mitgenommen – etwa zu diversen Stammtischen, Feuerwehrfesten und zum Maibaumaufstellen. „Jetzt weiß ich, wie Österreich tickt“ lacht Hegendörfer.
Was bleibt in der Region?
Mit Rurasmus soll das Auslandssemester eine neue, ländliche Facette erhalten – Studierende erhalten so die Möglichkeit, direkt vor Ort an lokalen Herausforderungen zu arbeiten und an der Transformation des ländlichen europäischen Raums mitzuwirken. Die Studierenden können so in das Leben ländlicher Gemeinden Europas eintauchen, ihre akademischen Fähigkeiten erweitern und einen direkten Beitrag zur Entwicklung und Gestaltung der Gemeinden leisten. Alle vier Studenten, Kariakina, Alymbekov, Stapelbroek und Hegendörfer, nehmen ihre positiven Erfahrungen mit nach Hause. Was bleibt in der Region? Zum Teil wurden Prozesse damit angestoßen und bleiben „die Ideen und Visionen in den Köpfen der Menschen“, ist sich Kariakina sicher.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden