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Bergführer und Hüttenwirt Scherr: „Die Leute hoffen im T-Shirt und in der kurzen Hose, dass die Gletscher bleiben“

Lisa-Maria Laserer, 15.10.2024 19:00

SALZKAMMERGUT. Seit mittlerweile 18 Jahren läuft das von Land Oberösterreich und Energie AG kofinanzierte Forschungsprojekt „Massenbilanz am oberösterreichischen Hallstätter Gletscher“ mit dem Ziel, den Rückgang des größten Gletschers des Dachsteinmassivs und der nördlichen Kalkalpen wissenschaftlich zu beobachten. Der drastische Rückgang des Gletschers wirkt sich auch stark auf den Bergtourismus am Dachstein aus.

  1 / 3   Der Hallstätter Gletscher im August 2006 mit dem Dachsteingipfel in der Mitte. (Foto: Blue Sky Wetter)

Seit Beginn des Messprogramms im Jahr 2006 hat der Hallstätter Gletscher, ein Teil des Dachsteinmassivs, von 152 Millionen Kubikmetern mit mehr als 56 Millionen Kubikmetern ein Drittel seiner Masse verloren und auch rund 800.000 Quadratmeter an Fläche des ewigen Eises sind auf immer unwiederbringlich.

Touristische Veränderungen

Der Dachstein und seine Gletscher – der Schladminger, der Hallstätter und der Gosaugletscher – werden jährlich von über 200.000 Touristen besucht. Die klimatischen Veränderungen wirken sich aber immer mehr auf die touristische Nutzung dieses Gebiets aus. Martin Scherr, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer aus Gosau und Wirt der unterhalb des Gosaugletschers gelegenen Adamekhütte beobachtet den Gletscher seit 1994. „Man sieht den Gletscherrückgang schon deutlich. Die Firngrenze ist in den letzten 20 Jahren sicherlich 100 Höhenmeter weiter oben.“ Der Rückgang und die damit einhergehende Veränderung des Gletschers haben große Auswirkungen für Bergsteiger und Wanderer. „Für uns ist es immer sehr schwierig, alte oder bekannte Wege zu erhalten. Oft muss man sie verlegen, oder es kann sein, dass Wege gar nicht mehr begangen werden können“, erklärt Scherr. Dies kann, so erzählt der Bergführer, in Zeiten wie diesen allerdings zum Problem werden: „Die Bergsteiger schauen neuerdings mehr auf ihr Handy als auf Markierungen. Wenn wir dann einen Weg versetzen müssen, dann kann es hier zu Problemen kommen.“

Durch die Klimaerwärmung ändert sich auch der Gletscher selbst. Spalten, die früher mit meterhohem Schnee bedeckt waren, sind jetzt entweder komplett offen oder nur mehr marginal bedeckt, was wiederum die Unfallgefahr steigert. Felsstürze und Steine, die ausgeapert werden, können ebenfalls ein Sicherheitsrisiko darstellen.

„Wege auf den Dachstein wird es immer geben“

„Paradoxerweise oder Gott sei Dank gibt es allerdings nicht so viele Unfälle aufgrund des Gletscherrückgangs“, so Scherr. „Für mich als Bergführer bedeutet die Veränderung mehr Arbeit, denn mehr Menschen, die auf den Dachsteingipfel möchten, brauchen nun einen Bergführer. Denn Wege auf den Dachstein wird es immer geben, allerdings werden diese aufgrund der Veränderung der Gletscher nun schwieriger – und die Bergsteiger nicht unbedingt erfahrener.“ Dass die Gletscher wieder wachsen, dafür müsste es schon über sehr lange Zeit kalt sein. „Wenn ich mit Gästen auf den Dachstein gehe, dann staunen sie oft, dass der Gletscherrückgang so dramatisch ist“, so Scherr. „Ich antworte dann aber immer: ,Schau, wir stehen in T-Shirt und Hose hier. Das heißt, es ist warm. Und in Wirklichkeit finden wir das ja angenehm.Aber es ist zu warm, viel zu warm, um den Gletscher wieder wachsen zu lassen.“ Laut Scherr ist das ein Widerspruch per se: „Auf der einen Seite wollen wir im Leiberl und kurzer Hose Bergsteigen, auf der anderen Seite hoffen wir, dass die Gletscher wieder wachsen. Das geht so leider nicht.“


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