Nacktaufreger, völliger Schwachsinn, starker Eindruck, Jahrhundertchance
SALZKAMMERGUT. Das Kulturhauptstadtjahr neigt sich dem Ende zu. Doch wie denken die Menschen in den Gemeinden über die Kulturhauptstadt. Wird etwas nachhaltig für die Region bleiben oder war es nur viel Aufregung um nichts?
Seit 1985 wird der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ an ausgewählte Städte und Regionen verliehen. Mit der Bannerstadt Bad Ischl und 22 weiteren Gemeinden im oberösterreichischen und steirischen Salzkammergut wurde dieser Titel erstmals einer Region verliehen. Es war sicherlich ein ereignisreiches Jahr: Vom Pudertanz bei der Eröffnung, über die Ausgrabung eines Wohnzimmers in Bad Goisern bis hin zu vielen außerordentlichen Projekten der heimischen und internationalen Kunstszene. Was dieser Veranstaltungsreigen rund um seine künstlerische Leiterin Elisabeth Schweeger sicherlich getan hat, war zu polarisieren. Doch was ist nun die Bilanz des Jahres außerhalb von Bad Ischl. Wie war das Kulturhauptstadterlebnis in anderen Gemeinden? Was wird bleiben? Tips befragte Bürgermeister, Künstler und Bürger.
„Planlos“ vorbeigeschrammt
„An weiten Teilen der heimischen Bevölkerung und Gästen ist das Kulturhauptstadtjahr letztlich wohl völlig ‚planlos‘ vorbeigeschrammt. Viel zu viele inhaltlich und künstlerisch austauschbare Projekte, die dem Salzkammergut aufgestülpt wurden und thematisch auch andernorts problemlos ‚funktionieren‘ würden, beweisen letztlich, dass sich die Intendanz mit dem Kulturgut des Salzkammergutes viel zu wenig auseinandergesetzt hat. Wer drittklassige Nacktaufreger aus dem Jahre Schnee als kulturelle Höhepunkte abfeiern will, mag dies gerne tun. Worin hier allerdings die politisch vielzitierte ‚Chance für das Salzkammergut‘ liegen soll, bleibt ungeklärt“, so Jörg Hoffmann, Artdirektor und Kommunikationsdesigner aus Gosau. „Schwachsinn, ein völliger Schwachsinn. Mehr kann ich dazu nicht sagen“, kommentiert ein Scharnsteiner Bürger, der lieber anonym bleiben möchte. „Gemerkt haben wir hier nicht recht viel von der Kulturhauptstadt, muss ich sagen“, äußert sich eine Bewohnerin aus Vorchdorf, die auch lieber ihren Namen nicht nennen möchte. „Wir hatten einige nette Veranstaltungen in Gosau. Da waren auch interessante Dinge dabei, mal was anderes. Aber nachhaltig bleibt nichts außer schönen Erinnerungen“, erklärt Markus Schmaranzer seine Sichtweise als Bürgermeister von Gosau.
„Sehr positiv verlaufen“
Bei den meisten beteiligten Bürgermeistern wird die Kulturhauptstadt und ihre Nachhaltigkeit für ihre Gemeinden jedoch positiv bewertet: „Insgesamt hat die Kulturhauptstadt für die Region sicher etwas gebracht, weil die 23 beteiligten Gemeinden verstärkt zusammengewachsen sind. Aus der Sicht von Laakirchen haben vor allem das Kinder-Musiktheater ‚Saltice‘, die Lichtinstallation ‚Chromotopia‘ beim Kulturzentrum Alfa und die mit der Kulturhauptstadt assoziierte Kabarett-Reihe ‚Lachen verbindet‘ einen starken Eindruck hinterlassen“, so Fritz Feichtinger, Bürgermeister von Laakirchen.
Auch Nicole Eder, Bürgermeisterin von Steinbach am Attersee stößt in dasselbe Horn: „Wir sind im Salzkammergut zusammengerückt, was uns in Zukunft sicherlich zugutekommt. Wir haben durch die Kulturhauptstadt neue Impulse bekommen und eigene Projekte von unserer Gemeinde aus initiiert, wie zum Beispiel, dass aus der Steinbachhalle eine Kulturhalle geworden ist. Beim Mahlerfestival im Juni durch die Unterstützung von Elisabeth Schweeger war die Halle bis auf den letzten Platz gefüllt. Diese neue Halle bleibt ja für zukünftige Kulturveranstaltungen bestehen. Das ist äußerst nachhaltig und eine Bereicherung.“ „Und“, so fährt Eder fort, „es kommt halt immer drauf an, was man draus macht. Eigentlich war das eine Jahrhundertchance.“
Auch der Bürgermeister von Gmunden Stefan Krapf zieht ein positives Resümee: „Die Kulturhauptstadt ist für Gmunden sehr positiv verlaufen. Es waren tolle Veranstaltungen in einer nie dagewesenen Form, die Wirtschaft in Gmunden ist voll mitgezogen und hat viel investiert. Viele Kulturinitiativen werden auch nachhaltig in Gmunden bestehen bleiben.“
Was wirklich bleiben wird, nachhaltig und nicht nur in der Erinnerung, und ob die Fortläufer der „Jahrhundertchance“ langfristig genützt werden können, wird die Zeit zeigen.
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