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Pilot-Projekt soll Gewalt gegen Krankenhauspersonal reduzieren

Daniela Toth, 22.09.2017 14:37

GMUNDEN/BAD ISCHL/VÖCKLABRUCK. Verbale Übergriffe, Drohungen, körperliche Gewalt – aggressive Handlungen gegenüber Mitarbeitern in Gesundheitseinrichtungen gehören zum Berufsalltag. Das Salzkammergut-Klinikum – als Pilot-Spital innerhalb dergespag – dieses Tabu-Themas angenommen und die Initiative „Gewaltfreies Krankenhaus“ gegründet. Nach einer Evaluierung soll es schon bald in allen Einrichtungen der gespag umgesetzt werden, wie Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (VP) in einer Pressekonferenz bekannt gab. 

V.l.: Karl Lehner (Gespag), LR Christine Haberlander, Gabriele Aster (Pflegedirektorin SK-Klinikum), Dr. Tilmann Königswieser (Ärztlicher Leiter SK-Klinikum) Foto: gespag

Untersuchungen in allgemeinen Krankenhäusern, Geriatrie-Zentrenund psychiatrischen Einrichtungen in Österreich zeigen, dass knapp 80 Prozent der Mitarbeiter in den letzten zwölf Monaten verbalen Übergriffen ausgesetzt waren. 60 Prozent sind mit körperlichen Attacken konfrontiert. „Besorgniserregende Fakten und eine noch viel höhere Dunkelziffer zwingen uns zum Handeln. Gewalt im Gesundheitswesen darf und soll nicht länger hingenommen werden. Es geht dabei nicht um Skandalisierung, sondern um ganzheitliche Lösungen im Sinne aller Beteiligten“, betonte Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander und ergänzt: „Oft sind es kleine Interventionen, die,gewusst wie, schlimme Folgen wie zum Beispiel posttraumatische Belastungsstörungen verhindern können.“

Viele sind betroffen

Betroffen sind vor allem Mitarbeiter in der Pflege (80 Prozent) und Ärzte. „Es geht darum, das Thema Gewalt in all seinen Facetten in den Mittelpunkt zu stellen. Es gilt zu sensibilisieren und den Mitarbeitern das nötige Rüstzeug im Umgang mit aggressivem Verhalten in die Hand zu geben“, erklärte gespag-Vorstand Karl Lehner.

Initiative „Gewaltfreies Krankenhaus“ – das Konzept

Der erste Maßnahmen-Block betrifft die Prävention: 

  • Im Salzkammergut Klinikum wurden im Lauf des heurigen Jahres Info-Veranstaltungen für alle 2.819 Mitarbeiter durchgeführt, um sie für das Thema „Gewalt und herabwürdigendes Verhalten“ zu sensibilisieren. „Wir wissen aus Erfahrung, dass die Dunkelziffer in diesem Kontext ungemein groß ist.Daher ist es entscheidend, den Kolleg/innen das Gefühl zu vermitteln,dass sie Gewaltattacken nicht einfach hinnehmen müssen. Dass sie kein bloßes Berufsrisiko darstellen, sondern dass es Grenzen gibt, die eingehalten werden müssen“, betonte Gabriele Aster,Pflegedirektorin des Salzkammergut-Klinikums.
  • Die 89 im Salzkammergut-Klinikum tätigen Führungskräfte absolvierten zudem eine entsprechende Schulung. In diesem Zusammenhang wurden schwerpunktmäßig die Arten von Gewalt aufgezeigt sowie die Meldeprozesse und die richtige Betreuung und Begleitung betroffener Mitarbeiter thematisiert.
  • All jene Mitarbeiter, die an besonders exponierten Bereichen im Krankenhaus tätig sind – wie z.B. Akutaufnahme, Unfallambulanz, Psychiatrie und Kreissaal – sollen ein mehrtägiges Deeskalationstraining absolvieren. Dafür wurden mehrere sogenannte Deeskalationstrainerinnen ausgebildet.
  • Kommt es zu einem Vorfall, so können die Mitarbeiter und Führungskräfte ab sofort auf Leitlinien und konkrete Verfahrensanweisungen zurückgreifen. Der Ablauf und das Meldesystem sind genau festgehalten und den Betroffenen wird sofortige kollegiale Begleitung und Unterstützung in den ersten entscheidenden Minuten und Stunden angeboten. „Selbstverständlich entscheidet nach einem Ereignis der betroffene Mitarbeiter selbst, ob und welche Hilfsangebote er in Anspruch nimmt. Für traumatisierte Menschen sind beide Seiten entscheidend: Die Sicherheit, unterstützt zu werden und die Autonomie, selbst darüber zu bestimmen“, ergänzt Aster.
  • Neben den Mitarbeitern gilt es auch bei den Patienten für die nötige Sensibilisierung zu sorgen. Dazu dienen eigens dafür gestaltete Folder, die in den Patienteninformationsmappen eines jeden Zimmers integriert werden.

Aktuell werden alle Vorfälle dokumentiert

„Seit nunmehr drei Monaten werden an den drei Standorten – Bad Ischl, Gmunden und Vöcklabruck – des Salzkammergut-Klinikums alle Vorfälle dokumentiert. Hierzu wurden einfache, elektronische Formulare geschaffen und eine eigene Meldestelle mit einer entsprechend ausgebildeten Mitarbeiterin installiert“, erklärte Dr. TilmanKönigswieser, Ärztlicher Direktor des Salzkammergut-Klinikums.

Bislang sind 24 Gewaltereignisse in der Meldestelle eingelangt. Bei acht Angaben handelte es sich um physische, bei sechs um verbale Angriffe. Der überwiegende Teil (neun Nennungen) waren Attacken verbaler und physischer Natur. Eine Meldung beschrieb eine sexuelle Belästigung.

Teil des Alltags

Damit das Thema in den Alltag Einzug hält, sind auch regelmäßige Reflexionsveranstaltungen vorgesehen. So sollen bei den Stationsleitungssitzungen der Pflege regelmäßig Beispiele eingebracht und thematisiert werden. In berufsübergreifenden Reflexionscafés,die einmal im Quartal stattfinden werden, können sich Mitarbeiter zu diesem wichtigen Thema austauschen. „Außerdem möchten wir für stationäre Patienten und ihre Angehörigen Sprechstunden einführen, um etwaig auftretende Problemstellungen möglichst bald aufzufangen und abzufedern“, gab Königswieser nähere Einblicke in weitere geplante Maßnahmen.

gespag-weite Umsetzung ab 2018

„Mit 2017 endet die Evaluierungs- und Optimierungsphase im Salzkammergut-Klinikum. In einem nächsten Schritt soll die Implementierung und Umsetzung der Initiative an allen gespag-Standorten erfolgen“, so gespag-Vorstand Karl Lehner abschließend.


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