Mit regionaler Schwarmfinanzierung Großes für das Waldviertel bewegen
WALDVIERTEL. Die Zeiten, in denen das Waldviertel als „Randzone“ abgestempelt - und abgehängt - war, sind vorbei, ist sich VP-Nationalratsabgeordneter Werner Groiß sicher. Der Bezirksobmann der Wirtschaftskammer Horn sieht sowohl das Crowdinvesting als Bestandteil der Unternehmensfinanzierung und -strategie als auch das Projekt workingspace 4.0 in Gars am Kamp als zukunftsweisend. Im Expertengespräch gibt der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Unternehmer einen umfangreichen Einblick in die Welt des „Waldviertler Crowdfundings“.
Crowdinvesting ist eine Finanzierungsform, bei der sich zahlreiche Personen mit typischerweise geringen Geldbeträgen über das Internet an zumeist jungen Unternehmen (Start-up“s) beteiligen, in den meisten Fällen über stille Beteiligungen, Genussrechte oder Beteiligungsdarlehen.
Tips: Bei dem Finanzierungsmodell „Crowdfunding“ sollen private Investoren dazu animiert werden, Kapital in heimische Betriebe zu investieren - wo liegen hier die Vorteile?
Werner Groiß: Bei Crowdinvesting (Crowdinvesting ist jene Art von Crowdfunding, bei der Anleger den Rückfluss der zur Verfügung gestellten Geldmittel zuzüglich einer Rendite erwarten) liegen die Vorteile für Anleger in höheren Gewinnchancen – bei gleichzeitig höherem Risiko. Der Anleger erhält, je nach Modell, eine Verzinsung oder einen Anteil am Jahresergebnis der Gesellschaft, an welcher er direkt beteiligt ist. Aufgrund moderater Beteiligungsbeträge (ab 100 Euro) ist es auch für Kleinanleger möglich, Gelder auf mehrere Beteiligungen zu verteilen und dadurch eine Risikostreuung vorzunehmen. Auch monetäre und non-monetäre Zusatz- Renditen bei Regional Funding zählen zu den Vorteilen: Ergebnisbeteiligung, Beteiligung an der Unternehmenswertentwicklung keine Transaktionskosten und Vermittlungskosten, sowie günstigere und einfachere Versteuerung. Die Vorteile für Unternehmen liegen beim „Smart Money“ in flexibleren Finanzierungsmöglichkeiten, die weiteren Mehrwert beinhalten. Durch die Risikotragfähigkeit des mittels Crowdinvesting eingelobten Kapitals eröffnen sich Anschlussfinanzierungsmöglichkeiten für Regionalbanken, die ansonsten nicht gegeben wären. Mittels kombinierter Einbeziehung von Crowdinvesting bei der Unternehmensfinanzierung können Banken dem Würgegriff zunehmend verschärfter Regularien entkommen (Basel III-IV), insbesondere für kleinere Regionalbanken eröffnen sich so erweiterte Geschäftsmöglichkeiten. Regionen, Bezirke und Gemeinden profitieren davon, dass Kapital in der Region bleibt und als Wirtschaftsmotor dient - bei lukrativer Renditemöglichkeit. Anleger kennen regionale Unternehmen meist sehr gut, Infos erfolgen informell und zeitnah.
Tips: Welche Voraussetzungen müssen Betriebe erfüllen, um sich auf der Internetplattform „regionalfunding.at“ registrieren zu können?
Werner Groiß: Grundvoraussetzung ist die Existenz eines Unternehmens als Rechtsträger und ein wirtschaftliches Projekt an welcher er das „Publikum“ beteiligen möchte. Die Angaben werden gemäß Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) von einem Fachmann auf Plausibilität überprüft. Bei regionalfunding.at werden gewisse ethisch problematische Branchen ausgeschlossen. Wirtschaftlich interessant wird es aber erst ab einer Einlobung von rund 50.000 Euro.
Tips: Die Banken verlieren zusehends an Reputation, Menschen investieren lieber in konkrete Werte - merken Sie diesen Sinneswandel auch im Crowdfunding? Wie sehen Sie diesen Trend persönlich?
Werner Groiß: Hier muss einmal die Lanze für die Banken gebrochen werden. Banken würden liebend gerne mehr Kredite vergeben, sehen sich aber durch Bankenregularien beschränkt. Speziell unsere lokalen Banken kommen zu Unrecht in das gleiche Fahrwasser wie internationale Investmentbanken. Die niedrigen Zinsen aber auch der Wunsch sein Geld „anders“ anlegen zu wollen führt zu einer Nachfrage nach Alternativen Finanzinstrumenten. Österreich hat mit dem AltFG und das Waldviertel mit regionalfunding.at auf diese Nachfrage reagiert. Dieser Trend ist zukunftsweisend, wir können nur versuchen unserer Bevölkerung dieses Thema aufzubereiten.
Tips: Was halten Sie persönlich von der Causa „Heini Staudinger“, der sein Unternehmen eine Zeit lang mit Kleinkrediten von Privatpersonen finanzierte? War das eine Art Impulsgebung für die alternative Finanzierungsplattform?
Werner Groiß: Es gab bereits einige Pionierleistungen für alternative Unternehmensfinanzierungen im Waldviertel. Als in den frühen 80er Jahren mit dem Dungl-Zentrum das erste Wellness-Hotel in Österreich errichtet wurde, haben 95 Unternehmer und Persönlichkeiten aus dem Waldviertel und aus dem Umfeld von Willi Dungl einen Großteil des benötigten Eigenkapitals aufgestellt. Danach erfolgten weitere Kapitaleinlobungen von privaten Anlegern, die den weiteren Ausbau und Betrieb ermöglichten.
„Heini Staudinger“s Art der Unternehmensfinanzierung hat in Österreich jenes Momentum erzeugt, das letztlich Crowdinvesting zum Durchbruch verholfen hat. Lieber Heini, vielen Dank für Deinen Einsatz!“ (Zitat, Werner Groiß)
2013 sind die ersten Plattformen, darunter auch www.regionalfunding.at online gegangen. Der Rechtsstreit hat nicht nur für mediales Interesse gesorgt sondern auch dazu geführt, dass eine regelkonforme Umsetzung von Crowdinvesting möglich ist. Die Politik hat darauf reagiert und mit dem 2015 in Kraft getretenen Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) ein Regelwerk geschaffen, das Österreich einen Platz im Spitzenfeld Europas – weit vor Deutschland – sichert. Heini Staudinger kann nunmehr seinen Prinzipien treu bleiben und sein Unternehmen dennoch rechtskonform finanzieren.
Tips: Welche Projekte im Waldviertel sind bei Investoren besonders beliebt und hervorzuheben?
Werner Groiß: Hier sind Nahversorgerprojekte und Energieversorgungsprojekte besonders beliebt. Diese wurden bisher jedoch oft über Vereine oder Gutscheinsysteme aufgebaut und finanziert. Insofern ist das Projekt workingspace 4.0 in Gars am Kamp als echtes Crowdinvestingprojekt besonders hervorzuheben.
Tips: Was kann diese Schwarmfinanzierung für die Wirtschaft im Waldviertel tun? Wo sehen Sie die Stärken dieses Projekts?
Werner Groiß: Mit Schwarmfinanzierung können einzelne Projekt aber auch Infrastruktur finanziert werden. Am Beispiel des Projekts workingspace 4.0 in Gars am Kamp wird aufgezeigt, dass man die Zukunft des Waldviertels selbst in die Hand nehmen kann, denn dieses Projekt ist ein Generator für neue Betriebe. Im Gegensatz zu urbanen coworking centers werden nicht nur Schreibtische und Büro- und Besprechungsinfrastruktur angeboten, es stehen auch Hallen und Freiflächen zur Verfügung. Damit ist eine ideale Startbasis auch für Gewerbebetriebe gegeben – ein bisher einzigartiges Angebot, das noch durch Indoor-Kinderspielplatz, Fitnessraum, medizinische und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten und Gastronomie im Haus ergänzt wird. Geht man davon aus, dass sich einige im workingspace 4.0 „geborene“ Unternehmen gut weiterentwickeln, entstehen zahlreiche zusätzliche Arbeitsplätze, die durch spätere expansionsbedingte Betriebsstandortwechsel auf das gesamte Waldviertel ausstrahlen. Workingspace 4.0 bietet für kleine und Kleinstunternehmen jenen Standort, der ihm ein professionelles Auftreten mit geringen Kosten ermöglicht, und so mit größeren Unternehmen mithalten kann. Dies ist eine Chance dass das Waldviertel sein geistiges Potential voll auskosten kann. Bei Erfolg wäre es wünschenswert ähnliche Projekte in den anderen Waldviertlern Bezirken ebenfalls zu initiieren.
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