Anstieg der Arbeitslosigkeit durch die Corona-Krise: Das sagen die Kirchdorfer Vertreter von ÖGB, WKO und AMS dazu
BEZIRK KIRCHDORF. Der Tag der Arbeitslosen am 30. April hat heuer eine neue Dimension bekommen: Wegen der Corona-Krise ist die Zahl der arbeitssuchenden Menschen auch im Bezirk Kirchdorf deutlich angestiegen.
Rund 2.400 Menschen waren Anfang April beim Kirchdorfer Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet. Durch die Corona-Krise hat sich innerhalb weniger Wochen die Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. „Bedauerlicherweise haben viele Betriebe sofort mit Bekanntwerden der angeordneten Schließungen ihre Mitarbeiter gekündigt oder mit Aussetzverträgen zum AMS geschickt“, kritisiert Rudolf Diensthuber, ÖGB Vorsitzender Region Kirchdorf: „Die neue ,Corona-Kurzarbeit' beinhaltet ein deutlich attraktiveres Paket als die vorherige Regelung.“
Finanzielle Situation der Dienstnehmer während der Kurzarbeit höher gesichert als durch Arbeitslosengeld
Die finanzielle Situation der Dienstnehmer ist während der Kurzarbeit mit einer Nettolohnersatzrate von 80 bis 90 Prozent (abhängig vom bisherigen Bruttoentgelt, sozial gestaffelt) höher gesichert als durch Arbeitslosengeld, wo eine Nettoersatzrate von 55 bis 60 Prozent geleistet wird. „Damit ein Auslangen zu finden ist fast unmöglich – erst recht, wenn man eine Familie versorgen soll und die Wohnungskosten bereits über 40 Prozent verschlingen. Dies führt dazu, dass Arbeitslose langfristig vor Delogierungen stehen, Kinder und Familien nur mit dem Allernötigsten versorgt werden können und manifeste Armut entsteht. Der ÖGB fordert deshalb eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf mindestens 70 Prozent“, betont Diensthuber, der von den Sorgen der Menschen berichtet: „Viele Fragen tauchen rund um den Arbeitnehmerschutz und die weiteren Unterstützungen für Menschen in gefährdeten Lebenslagen auf.“
Kurzarbeit passt nicht immer
WKO-Bezirksstellenleiter Siegfried Pramhas verweist auf die Sorgfaltspflicht der Unternehmer und Geschäftsführer: „Sie haben ihre Entscheidungen genau abzuwägen, um den Fortbestand des Unternehmens nicht zu gefährden. Da wird nicht willkürlich gehandelt. Den Arbeitgeberbetrieben stehen bei massiven Auftragseinbrüchen die Kurzarbeit, die einvernehmliche Auflösung mit Wiedereinstellzusage und in letzter Konsequenz die Kündigung zur Verfügung.“ Pramhas berichtet, dass die vielen Änderungen am Anfang des Kurzarbeitsmodells die Unternehmer verunsicherten. „Zudem müssen sie die Gesamtsituation im Auge behalten. Da kann es durchaus sein, dass dieses Modell nicht passt. Eine mögliche Kurzarbeit ist auch eine Liquiditätsfrage. Die Unternehmen müssen mindestens zwei Monate in Vorausleistungen gehen, damit die Löhne monatlich ausbezahlt werden können. Und ein relativer geringer Kostenanteil ist dennoch von den Unternehmen zu tragen“, erklärt der Kirchdorfer WKO-Bezirksstellenleiter und gibt zu bedenken, dass niemand weiß, wie lange diese Krise dauern wird und welche Perspektiven es danach gibt. „Eine langfristige Einschätzung der Entwicklung ist derzeit für die Unternehmen einfach nicht machbar“, so Pramhas, der betont: „Den Unternehmern wäre alles andere lieber, als die Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken, zu kündigen oder Dienstverträge einvernehmlich aufzulösen. Das sollte auch der ÖGB zur Kenntnis nehmen.“
Viele Arbeitslosmeldungen wieder rückgängig gemacht
Julia Bauer, Geschäftsstellenleiterin Arbeitsmarktservice Kirchdorf, berichtet in diesem Zusammenhang von vielen Arbeitslosmeldungen, die wieder rückgängig gemacht wurden, als die Rahmenbedingungen für die Kurzarbeit bekannt wurden.
Rückgang der Arbeitslosigkeit für Mai erwartet
Anfang Mai werden die nächsten Zahlen rund um Arbeitslosigkeit, Beschäftigung und Branchen veröffentlicht. „Teilweise erwarte ich bereits einen leichten Rückgang in der Betroffenheit der Arbeitslosigkeit. Die teilweise Öffnung von Geschäften zeigt, dass die Arbeitslosigkeit langsam zurückgeht und ich habe viele Gespräche mit Unternehmen, die mir berichten, dass die Ausfallstunden in Kurzarbeit nicht so hoch wie geplant abgerechnet werden müssen“, berichtet die AMS-Kirchdorf Leiterin Julia Bauer: „Alles ist natürlich immer vorbehaltlich einer neuerlichen Infektionswelle. Dennoch werden sicher viele Unternehmen die Kurzarbeit um weitere drei Monate verlängern müssen. Die Beantragung dafür ist ab 15. Mai 2020 möglich.“
„Wahre Auswirkungen werden sich erst nach Beendigung der Kurzarbeiten zeigen“
Der Kirchdorfer ÖGB-Chef Rudolf Diensthuber ist sich sicher: „Die wahren Auswirkungen werden sich erst nach Beendigung der Kurzarbeiten zeigen. Erst dann werden wir sehen, wie sich die Konsumnachfrage entwickelt, wie viele Arbeitsplätze unwiederbringlich vernichtet wurden und wie ehrlich Betriebe und Unternehmen mit ihren Wiedereinstellungszusagen umgehen.“
„Stimmung bei Konsumenten für Konsumation und Investition ist noch sehr verhalten“
Siegfried Pramhas wagt einen Blick in die Zukunft: „Im Produktionsbereich werden derzeit vor allem länger geplante Aufträge abgearbeitet. Neue Aufträge sind aufgrund von Corona eher spärlich vorhanden. Wobei diese Aussage nicht auf alle zutrifft. Dazu kommt, dass die Stimmung bei Konsumenten für Konsumation und Investition noch sehr verhalten ist. Das wirkt sich auf den Handel natürlich aus. Wie der Tourismus im Besonderen die Gastronomie letztendlich wirklich ,anspringen' wird, bleibt offen. Zudem sind viele regionale Unternehmen auch international tätig. Diese tragen wesentlich zum Einkommen in der Region bei. Hier gibt es eine große Abhängigkeit vom internationalen Markt und wie die Corona-Krise in den Exportländern bewältigt wird. Davon sind auch Zulieferbetriebe betroffen.“
„Österreich als Exportland ist stark von den Entwicklungen in Europa und weltweit betroffen“
Dem stimmt auch AMS-Geschäftsstellenleiterin Julia Bauer zu: „Die Zeit nach der Kurzarbeitsunterstützung wird sicher spannend und herausfordernd. Wie sich die Situation bis dahin genau entwickelt, hängt sehr stark davon ab, wie sich die Konjunktur entwickelt. Österreich als Exportland ist natürlich da auch stark von den Entwicklungen in Europa und weltweit betroffen, aber auch davon, wie sich die Konsumenten hierzulande entscheiden.“
„Es braucht eine positive Grundstimmung“
Für Siegfried Pramhas ist klar: „Zeit wird es brauchen. Es wird doch aufgrund der internationalen Entwicklungen dauern, bis im Bezirk wieder eine Beschäftigungssituation wie vor Corona vorliegen wird. Was es aber in dieser Zeit braucht, ist doch eine positive Grundstimmung. Die Lockerungen und Entwicklungen in den nächsten Wochen werden hoffentlich mehr Klarheit bringen.“
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