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Neueste Erkenntnisse über den Tassilokelch des Stiftes Kremsmünster

Tips Jugendredaktion, Anna Bammer, 01.10.2019 07:48

KREMSMÜNSTER. Ein Forschungsprojekt in Deutschland hat den ältesten Kunstgegenstand, den Tassilokelch, des Stifts Kremsmünster fünf Jahre lang untersucht. Die Ergebnisse liegen nun vor und wurden in einer Buchpräsentation im Stift vorgetragen.

  1 / 3   Albrecht Weiland (Verlagsleiter Schnell&Steiner), Pater Altman Pötsch, Egon Wamers (Herausgeber des Buches) und Abt Ambros Ebhart (v.l.), Foto: Stift Kremsmünster

Erstmals konnte der Tassilokelch in einem fünfjährigen Forschungsprojekt des Archäologischen Museums Frankfurt, des Stifts Kremsmünster und des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz umfassend untersucht werden. Die Ergebnisse wurden in einem 496 Seiten starken Werk vorgelegt, an dem 20 internationale Wissenschaftler aus vier Ländern mitwirkten. Der Herausgeber ist Egon Wamers. 

Detaillierte Untersuchung

Noch nie wurde der Kelch so eingehend und detailliert dokumentiert, beschrieben und nach jüngstem Stand der Technik analysiert und erforscht. Abt Ambros Ebhart betonte: „Ich empfinde es als kostbares Geschenk, dass uns der Tassilokelch anvertraut ist. Für unser Kloster Kremsmünster ist er ein Wegbegleiter durch zwölf Jahrhunderte. Der Tassilokelch veranschaulicht die Wurzel, die an den Anfang unseres Klosters zurückführt.“ Der emeritierte Direktor des Archäologischen Museums in Frankfurt, Egon Wamers, nannte als Forschungsziel, dieses Werk der frühen Schatzkunst und Staatsdenkmal der bairisch-österreichischen Kunstgeschichte erstmals nach den modernsten Methoden zu untersuchen. Bedeutend ist die Erkenntnis, dass der Kelch nie in der Weise verändert wurde, dass der Fuß von der Kuppa getrennt worden sei. Das heißt, dass der Kelch im originalen Zustand ist.

Bezeichnung von nun an „Tassilo-Liutpirc-Kelch“

Egon Wamers bezeichnete es als „große Ehre und Höhepunkt meines Forscherlebens“ dieses Projekt federführend begleitet zu haben und fasste die wichtigsten Erkenntnisse zusammen: „Dieser außergewöhnliche Abendmahlskelch wurde vor etwa 1250 Jahren im Salzburger Raum geschaffen. Auf wundersame Weise hat er die Stürme der Zeit überlebt.“ Zweifelsfrei sind Herzog Tassilo und seine Frau die Stifter des Kelchs. Die Inschrift lautet: „Tassilo dux fortis, Liutpirc virga regalis – Tassilo, starker Fürst – Liutpirc, aus königlichem Geschlecht.“ Da aber auch Tassilos Ehefrau Luitpirc am Kelch als Stifterin genannt wird, sei es höchste Zeit, den Kelch als Tassilo-Liutpirc-Kelch zu bezeichnen.

Die wesentlichen Ergebnisse

Der heutige Zustand des Kelches sowie seine Verzierung sind, bis auf kleinere Beschädigungen im Laufe der Jahrhunderte und Reparturen im späten 18. Jahrhundert, original und authentisch. Nach Fassungsvermögen und Bildschmuck war er seit je als Spendekelch = Abendmahlskelch vorgesehen.

Er wurde aus bergfrischem, aber nicht lokalisiertem Kupfer getrieben sowie silberplattiert, nielliert und – bis auf Kuppa- und Fußinnenseite – flächig vergoldet. Debattiert wird, ob er ursprünglich einen Einsatzt zum Schutz der Eucharistie gehabt hat. Qualitätsunterschiede zwischen dem Kerbschnittdekor und den niellierten Silberflächen legen unterschiedliche Handwerker nahe.

Nach den erhaltenen Bild- und Schriftzeugnissen ist seine Existenz im Stift Kremsmünster erstmals sicher für 1326 nachgeweisen. Historische Überlegungen halten auch eine ursprüngliche Fertigung für den Rupertus-Petrus-Dom in Salzburg (geweiht 774) für möglich.

Nach seiner Morphologie und dem Figurenstil der Silbermedaillons steht der Kelch in mediterraner Tradition; das Kerbschnitt-Ornament stellt Weinstockornamentik insularer Tradition dar. Insgesamt ist der Tassilo-Liutpirc-Kelch ein Werk der – von Virgil und seinem Umkreis geprägten – „insularen Kunstprovinz im Salzburger Raum“, der Hofwerkstätten des Herzogs Tassilo. Nach dem Sturz Tassilos 788 wurde diese Kunst nicht fortgeführt.

In theologischer Lesung betont das Bildprogramm des Kelches die Doppelnatur Christi und die Einheit der beiden Testamente; das zentrale Motiv bildet die Deësis, und das Hauptbild stellt Christus als König und Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks dar. Die kunsthistorische Deutung sieht in der Bildstruktur des Kelches die Visualisierung des Neuen Jerusalems nach der Offenbarung des Johannes. Die Himmelsstadt ist in der Funktion des Kelches als Spendegefäß für die Eucharistie anwesend und zugleich Allegorie der Ekklesia (Kirche).

Veranstaltungen zum Tassilokelch

Das Stift Kremsmünster bietet nun Spezialführungen an, die bis Ende Dezember 2019 immer am Samstag und Sonntag, jeweils um 14 Uhr stattfinden (im Rahmen einer Führung durch die Kunstsammlungen mit Schwerpunkt der neuen Erkenntnisse über den Tassilo-Liutpirc-Kelch). Treffpunkt und Beginn ist im Klosterladen. Informationen unter der Telefonnummer 07583/5275-150 oder unter tourismus@stift-kremsmuenster.at


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