Zeitreise: Mit künstlicher Intelligenz die Vergangenheit erleben
LINZ/HAGENBERG. Philipp Wintersberger aus Linz forscht zur Interaktion zwischen Menschen und KI-Systemen. Er ist Professor an der FH Hagenberg, wo er gemeinsam mit David Schedl das Projekt „AI Time Machine“ betreut hat. Tips hat mit ihm über die „Zeitmaschine“ und Künstliche Intelligenz gesprochen.
Wintersberger ist Professor für Interaktive Systeme an der FH Hagenberg und Lektor an der TU Wien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Interaktion zwischen Menschen und KI-Systemen. Gemeinsam mit dem FH-Professor für Visual Computing David Schedl hat er ein Studentenprojekt betreut, das Zeitreisen – im weitesten Sinne – ermöglichen könnte.
Tips: Was ist die „KI-Zeitmaschine“?
Philipp Wintersberger: „Wir erwarten in den nächsten Jahren immer bessere Mixed-Reality-Systeme, die es erlauben werden, dass digitale Informationen im Gesichtsfeld über die reale Welt überblendet werden. Unser Gedanke war: Du bist als Tourist mit solch einer Brille unterwegs und möchtest nicht durch das aktuelle Wien, sondern das Wien des 18. Jahrhunderts spazieren. Der Video-Stream, den die Brille bekommt, wird dafür augmentiert. Das heißt: Die Leute tragen die Kleidung von damals, aus Autos werden Kutschen und statt einer modernen Werbung klebt eine Zirkus-Annonce auf der Litfaß-Säule. Diese Idee haben wir letztes Jahr in einem Projekt mit den beiden Studenten Felix Rader und Alexander Gärtner getestet. Wir haben allerdings relativ schnell festgestellt, dass die Systeme noch nicht schnell genug sind, um flüssige Bilder zu liefern. Deswegen haben wir uns das Konzept vorerst mit Standbildern angeschaut. Wenn es fruchtet, probieren wir es nächstes Jahr mit einer neuen Maschine, die Computer werden ohnehin täglich schneller. Einer der Studenten aus dem Projekt wird diese ‚Time-Machine‘ in einer Masterarbeit weiterführen, da werden wir uns das Videoprojekt folgendes Jahr nochmals im Detail anschauen.“
Nächster Schritt: Zeitmaschinen-Prototyp
Wintersberger meint, ein Prototyp nächstes Jahr sei durchaus realistisch. Will man tatsächlich mit der Brille durch die Stadt laufen, ergeben sich dadurch gewisse Herausforderungen. „Neben Sicherheitsaspekten gibt es mitunter auch Probleme bezüglich des Realismus – schließlich waren Kutschen nicht mit über 50 km/h unterwegs. „Wir haben auch ein aktuelles Foto der FH Hagenberg in die Vergangenheit transformiert. Die KI nimmt aber keine Rücksicht darauf, dass es im Jahr 1900 noch gar keine FH Hagenberg gab“, sagt Wintersberger. Das bringe auch ethische Fragen mit sich, etwa wie geschichtlich akkurat die generierten Bilder sind. Das Projektziel sei gewesen, die Umsetzbarkeit der Ursprungsidee zu testen und zu erforschen, welche Zeiträume abgebildet werden können. Derzeit reicht die Spanne von 1880 bis heute.
Tips: Wie kann ich mir die Funktionsweise vorstellen?
Philipp Wintersberger: „Vereinfacht gesagt: Die KI nutzt den Pool aus Fotos aus der Vergangenheit, um adäquate Infos zu generieren. Das System nutzt eine Kombination verfügbarer KI-Systeme wie StableDiffusion oder Midjourney um eigenständige Bilder auf Basis erkannter Konturen zu erstellen.“ Wintersberger fände es auch spannend, den Zeitraum in die Vergangenheit und in die Zukunft auszuweiten: „Man könnte etwa das Jahr 2080 eingeben. Es gibt unglaublich viele Zukunftskonzepte, die auch bildlich festgehalten wurden. Oder: ich nehme ein Bild aus den 1920ern und transformiere das in die Gegenwart, um zu schauen, ob es zur Realität passt.“
Tips: Glaubt man manchen Stimmen, sind viele Jobs bald überflüssig – wie siehst du das, werden wir in Zukunft durch KI ersetzt?
Philipp Wintersberger: „Das ist natürlich ein schwieriges Thema. Diese Systeme haben prinzipiell das Potenzial, sehr viele Jobs zu machen, vielleicht auch meinen. Wie dem auch sei: diese Systeme generieren in erster Linie 'more of the same'. Ein Beispiel: Es wird relativ bald leicht möglich sein, dass ich mir unglaublich viele Logos für eine Firma designen lasse. Und wenn ich auf der Suche nach einem Massenprodukt bin, dann wird die KI gut genug sein, das zu liefern. Es wird aber nach wie vor Designer geben, die sich davon abheben. Früher wurde jede Küche von einem Tischler gemacht, heute kaufen viele die Küche im Möbelhaus. Es gibt aber nach wie vor Tischler, die für hohe Preise Sachen verwirklichen, die man im Möbelhaus nicht kaufen kann.“
„Im Umgang mit KI, das ist ein zentrales Statement aus meinem Forschungsgebiet, sollte überall dort, wo es nicht völlig unkritisch ist, ein Mensch in der Kette vorkommen (human-in-the-loop).“ - Philipp Wintersberger
Das Statement gilt auch für Wintersbergers aktuelle Forschungsprojekte: Eines behandelt das Thema Radfahrsicherheit. Untersucht wird, wie bestehende Sicherheitssysteme für Autos auf das Rad übertragen werden können. Beim zweiten Projekt geht es um Multitasking: Die KI soll dabei helfen, Benachrichtigungen im passenden Moment anzuzeigen, um den Arbeitsfluss nicht zu stören.
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