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Verwechselte Patientin in Linzer Spital – eine Folge der Überlastung der Notfallambulanzen?

Alexandra Mittermayr, 19.02.2025 09:11

LINZ/MAUTHAUSEN. Thoraxschmerzen, ein starker Druck in der Brust und ein hoher Blutdruck veranlassten eine Tips-Leserin aus Mauthausen, den Notruf zu wählen. Die Erstversorgung im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz verwunderte die Frau, da die diensthabende Ärztin trotz ihres Protestes einen angeblichen Sturz und eine nicht vorhandene Migräne abklären ließ. Die Patientin war verwechselt worden.

Primar Dr. Matthias Kölbl, Leiter der Notfallambulanz Ordensklinikum Linz (Foto: Ordensklinikum Linz)
Primar Dr. Matthias Kölbl, Leiter der Notfallambulanz Ordensklinikum Linz (Foto: Ordensklinikum Linz)

Die Rettung alarmierte die Mauthausenerin selbst. Den starken Druck in der Brust und die Thoraxschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlten, verbunden mit einem hohen Blutdruck, wollte sie im Krankenhaus abklären lassen. Bei den Elisabethinen in Linz angekommen, ordnete die diensthabende Ärztin ein Schädel-CT an. Die Patientin erhielt Paracetamol und Blutverdünner, da sie angeblich gestürzt sei und unter Migräne leide, was sie mehrfach verneinte. Das Krankenhauspersonal erklärte ihr, dass sie durch den Sturz Gedächtnislücken erlitten habe. Da das Krankenhaus der Elisabethinen an diesem Tag keine Aufnahme hatte, wurde die Patientin in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz umgeleitet, wo ein junger Arzt den Irrtum aufdeckte. Auf der Ambulanzkarte war ein Gipsbein vermerkt, das die Patientin offensichtlich nicht hatte. Es folgte eine entsprechende Behandlung, um einen Herzinfarkt oder Herzinfarktvorläufer auszuschließen. Die Ärztin wurde über ihren Fehler informiert. Sie entschuldigte sich bei der Patientin und räumte den Fehler ein – die Patientin war verwechselt worden. Ende gut, alles gut?

Die Frau aus Mauthausen wandte sich an die Tips, um für mehr Achtsamkeit im Umgang mit Patienten zu plädieren, man wolle keine „Nummer“ sein, sondern ernst genommen werden.

Reaktionen aus dem Krankenhaus

Auf Tips-Nachfrage in der Pressestelle des Krankenhauses wurde folgendes Statement übermittelt: „In Bereichen mit stetig steigendem Patientenaufkommen werden die ablauforganisatorischen Prozesse engmaschig reevaluiert und optimiert. Dies erfolgt natürlich auch anlassbezogen, um unseren Patientinnen und Patienten insbesondere in Akutsituationen größtmögliche Sicherheit zu bieten. Mit der betreffenden Ärztin hat es vonseiten des Leiters der Notfallambulanz bereits ein Gespräch gegeben, in dem die vorgegebenen Abläufe zu Vermeidung von Verwechslungen noch einmal detailliert besprochen wurden. Die behandelnde Ärztin legt im Umgang mit Patientinnen und Patienten großen Wert darauf, den Eindruck einer „Nummer“ zu vermeiden und bedauert zutiefst, so einen Eindruck erweckt zu haben.“ Der Patientin wurde weiters ein persönliches Gespräch mit Primar Dr. Matthias Kölbl, dem Leiter der Notfallambulanz, angeboten.

Patientenaufkommen hat sich verdreifacht

Im Gespräch mit der Tips schildert Primar Kölbl die herausfordernde Situation in den Notfallambulanzen. In den letzten 15 Jahren habe sich die Zahl der Patienten verdreifacht, die Ressourcen seien nicht unerschöpflich. Eine Patientenlenkung und der Ausbau der Hotline 1450 seien daher sinnvoll und notwendig. Pro Aufnahmetag würden circa 200 Personen behandelt, in etwa 40 Prozent davon bräuchten aus medizinischer Sicht überhaupt keine Notaufnahme, da es sich nicht um zeitkritische Probleme handle. Chronische Probleme, die seit Monaten bestehen, sollten in der Versorgungsebene anders gesteuert werden. Durch den Abzug von Krankenhauspersonal für Lappalien würden andere Bereiche geschwächt werden. Verwundert zeigt er sich über das hohe Abklärungsbedürfnis bei Menschen zwischen 20 und 40, dieses sei massiv angestiegen: „Gerade diese Altersgruppe sollte affin sein und zuerst eine Hotline anrufen“, so Kölbl. 99 Prozent der einstelligen Beschwerdezahl pro Jahr in der Notfallambulanz betreffen laut ihm die Wartezeiten. Durch die Nutzung der Hotline 1450 und die Vereinbarung von Terminen könnte dieses Problem rasch gelöst werden.

Patientenlenkung via 1450

Die freie Arztwahl ermöglicht den Patienten in Österreich einen direkten Zugang zu den Notfallambulanzen. Anders ist das in europäischen Ländern wie der Schweiz, Deutschland oder Dänemark, wo die Patientenlenkung über große Callcenter unter Einsatz von Tele- und Videomedizin erfolgt. Eine höhere Sterblichkeit sei nicht festgestellt worden. Primar Kölbl verweist auch auf die hohen Kosten des österreichischen Systems. Sozialer Egoismus, wo sich jeder der Nächste ist, widerspreche dem Grundprinzip des Solidarsystems, das von den Sozialbeiträgen bezahlt wird: „Ich bin Notfallmediziner geworden, um für all jene da zu sein, die meine Hilfe wirklich am dringlichsten benötigen. Nur circa zehn Prozent der Anrufe, die derzeit bei 1450 eingehen, sind relevante medizinische Fragen. Davon können 75 Prozent telefonisch gelöst werden. Der Rest der Anfragen dreht sich beispielsweise um Öffnungszeiten oder Medikamente. Das Potenzial ist in der ersten Instanz enorm hoch“, betont Kölbl. Datenschutz werde in Österreich manchmal als Ausrede für den verzögerten Einsatz digitaler Lösungen benutzt. Datenschutz sei wichtig, aber häufig stehe man sich selbst im Weg, zu Lasten der Ressourcen.

Mögliche Lösungen

Digital vor ambulant vor stationär scheint die Lösung für die Überlastung der Notfallambulanzen zu sein. Erste Pilotversuche mit Telemedizin gibt es in Oberösterreich beim Hausärztlichen Notdienst (HÄND). Hier steht ab 23 Uhr unter der Hotline 1450 ein Telefonarzt zur Verfügung, der die Patienten mit elektronischer Hilfe durch das System führt. Zusätzlich soll in Pilotprojekten mittels Tagesrandordinationen der Andrang in die Spitäler kanalisiert werden.


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