LINZ. Eine Pandemie wie Corona ist eine völlig neuartige Situation, sie lässt uns an die Grenzen des bisher Erlebten und Vorstellbaren stoßen. In der momentanen Situation Angst zu haben, darf sein und ist völlig normal, erklärt die Linzer Psychologin Anneliese Aschauer.

Tips: Warum empfinden viele von uns gerade Angst?
Aschauer: Stress und Angst werden immer dann ausgelöst, wenn zentrale emotionale Grundbedürfnisse bedroht sind. Wir fühlen uns nicht mehr sicher, haben Angst um unsere eigene und die Gesundheit unserer Lieben aber auch vor einem Kollaps der Gesundheitssysteme. Wir sind massiv in unseren Freiräumen beschränkt, können nicht mehr einfach tun, was wir wollen beziehungsweise was uns gut tun würde. Aus meiner Sicht ist für viele aber das Bedrohlichste, dass wir in unseren sozialen Begegnungen so stark reduziert beziehungsweise sogar isoliert werden.
Tips: Wie wichtig ist derzeit sozialer Kontakt?
Aschauer: Extrem wichtig. Um Angst zu reduzieren ist sozialer Kontakt das heilsamste Gegenmittel. Wir brauchen Blickkontakt, eine beruhigende Stimme, eine Umarmung, um wieder Sicherheit zu erleben. Und genau das ist nun eingeschränkt. Deshalb aktivieren Sie alle Kontaktmöglichkeiten, wie Skype, WhatsApp, Telefonate. Wenn Sie niemanden zum Reden haben, scheuen Sie nicht, auch die kostenfreien Hotlines zu nutzen, etwa die Telefonseelsorge, 142 oder die Krisenhilfe der pro mente OÖ 0732/2177. Wir brauchen Gespräche und zumindest verbale Umarmungen.
Tips: Wie weiß ich, dass ich Angst habe?
Aschauer: Angst zeigt sich bei Menschen unterschiedlich, immer aber körperlich, emotional und gedanklich. Manche Menschen erleben eine starke innere Unruhe und Angespanntheit, bei anderen schaltet der Körper eher in einen Schockmodus um und man fühlt sich wie eingefroren. Schockzustände sind für die langfristige Verarbeitung sowohl körperlich als auch psychisch schädlicher als Aktivierungszustände. Angst kommt von „Enge“ – und so passiert es, dass sich Gedanken dann nur mehr auf die Gefahr und das Schlimme richten und wir dadurch unsere Angst weiter verstärken.
Tips: Und ab wann wird Angst gefährlich?
Aschauer: Wenn Sie erleben, dass Sie die Angst fest im Griff hat, Sie regelrecht überflutet und Sie kaum mehr aussteigen können. Gedanklich gesehen sind Menschen dann nicht mehr in einer situationsangemessenen Sorge, sondern in Panik und werden von Angst erzeugenden Gedanken regelrecht überflutet. Der Blick ist nur mehr auf Horrorszenarien gerichtet und man kann nur schwer aussteigen. Bedrohlich ist jedoch nicht nur die Angst, sondern auch die Traurigkeit durch Einsamkeit und Isolation. Durch das permanente Angstgefühl ist der Körper und die Psyche in ständiger Aufruhr und kann sich nicht mehr beruhigen.
Tips: Wie kann ich meiner Angst einen Riegel vorschieben?
Aschauer: Zunächst einmal ist es wichtig, sich vor negativen Medien zu schützen. Sich dreimal am Tag zu informieren reicht absolut aus. Wichtig ist ein regelmäßiger Realitätscheck: Gehöre ich wirklich zur Risikogruppe und woran kann ich mich halten, um mich zu schützen? Wenn Sie zum Grübeln neigen, lenken Sie sich konsequent ab. Beschäftigen Sie sich mit anderen Themen und Aktivitäten. Machen Sie einen Plan für den Tag und nehmen Sie sich täglich ein kleines Projekt als Highlight vor. Wichtig zur Stress-Reduktion ist auch Bewegung. Angst und Stress sind immer auch ein körperliches Phänomen, hier hilft Bewegung und dann Entspannung zur Stressreduzierung. Sie können auch Entspannungstechniken üben, hilfreiche Anleitungen findet man im Internet. Am wichtigsten ist es aber, sich der eigenen Angst bewusst zu sein: Angst darf sein und ist ganz normal. Besinnen Sie sich immer auf Ihre Stärken, erinnern Sie sich, was Sie im Leben schon geschafft haben. Gerade in Krisen können sich Stärken entfalten und wachsen. Und haben Sie immer im Kopf, diese Phase geht mit Sicherheit wieder vorbei.
Tips: Und wie sollte ich mich Kindern gegenüber verhalten?
Aschauer: Seien Sie sich bewusst, dass Kinder von klein an die emotionale Verfassung ihrer Eltern spüren. Wenn Sie aufgeregt und angespannt sind, ständig im Internet recherchieren und über Corona diskutieren, wird sich die Anspannung auf Kinder übertragen. Versuchen Sie umso mehr, sich selbst zu beruhigen und Normalität und Struktur in den Alltag zu integrieren. Achten Sie auf Zeiten des Arbeitens und Lernens, und Zeiten in denen Sie sich aufmerksam mit den Kindern beschäftigen. Und ganz wichtig: Jeder braucht mal eine Auszeit in denen wir uns zurückziehen, kurz raus gehen, uns abschütteln, für uns sein dürfen und wieder einen kühlen Kopf bekommen können. Um Corona auch Kindern angemessen zu erklären empfehle ich ein tolles Video der Stadt Wien: https://www.youtube.com/watch?v=_kU4oCmRFTw
Tips: Wie gehen Sie selbst mit der Situation um?
Aschauer: Ich telefoniere viel mit Freunden, mit meiner Familie, koche neue Rezepte, lese Bücher und ganz wichtig, ich achte auf viel Bewegung. Für mich hilfreich ist auch, mich damit zu beschäftigen, welche Chancen diese Krise bereithält. So starte ich gerade eine Studie zum Thema „Resilienz in der Corona-Krise“. Ich freue mich aber natürlich schon sehr darauf, wichtige Lebensmenschen wieder treffen und vor allem umarmen zu dürfen.
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26.03.2020 10:42
Angst kann das Leben einschränken
Angst kann man schon haben, die Frage dabei ist wie lange man Angst hat und wie es das eigene Leben beeinflusst. Wenn einem mal einige Gedanken durch den Kopf gehen, kann man schon mal zusammenzucken und es mit der Angst zu tun bekommen. Das ist aber ein großer Unterschied dazu, dass man sich durch die Angst beeinflussen lässt. Während meiner Studienzeit hatte ich z.B. irrsinnige Angst vor Prüfungen. Bei mir ging in der Prüfungszeit dann gar nichts mehr. Ich schlief schlecht und hatte eine ständige innere Unruhe, die sich auf alle Bereiche meines Lebens auswirkte. Mit Atemübungen, Passedan und Sport habe ich das weitgehend in den Griff bekommen. Es darf halt nicht so weit kommen, dass Angst das Leben bestimmt. Das ist für mich der Punkt an dem man etwas unternehmen muss.