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Psyche in der Krise - Wenn psychische Belastungen und Unsicherheiten krank machen

Nora Heindl, 09.06.2020 08:00

LINZ. Die Corona-Pandemie hat viele Menschen vor große Herausforderungen gestellt, die nicht selten auch an die Grenze der emotionalen Belastbarkeit führen. Lange psychische Krisen münden nicht selten in psychische Erkrankungen – die Krisenhilfe OÖ ist genau dann rund um die Uhr unter 0732/2177 erreichbar.

(Foto: Aonprom Photo/Shutterstock.com)
(Foto: Aonprom Photo/Shutterstock.com)

„Oft ist ein Anruf bei uns mit Scham besetzt“, weiß Sonja Hörmanseder, Leiterin der Krisenhilfe OÖ. „Dafür gibt es aber keinen Grund. Wir sind für alle Menschen mit all ihren Problemen da, einen blöden Grund für einen Anruf gibt es bei uns schlicht nicht.“

Die Menschen seien während der Corona-Pandemie mit zwei Phasen konfrontiert gewesen: der Akutphase und der Zeit nach der akuten Phase der Krise. „Viele Menschen sind am Anfang der Krise, also Anfang/Mitte März, in eine Art Schockstarre verfallen, so wurde auch die Krisenhilfe OÖ in diesem Zeitraum nicht so häufig kontaktiert, wie wir uns das gedacht hätten. Möglicherweise spielte hier auch die Angst vor einer Corona-Infektion bei persönlichem Kontakt eine Rolle. Viele Leute konzentrierten sich auf ihre Grundbedürfnisse und ließen dabei ihre Psyche außer Acht. Einige Personen trauten sich auch nicht anzurufen, da sie dachten, dass andere Menschen die Hilfe noch viel nötiger hätten als sie“, erzählt Hörmanseder. „Nach und nach merkten wir aber, dass sich die Kontaktzahlen wieder erhöhen. Wir gehen davon aus, dass wir die Langzeitfolgen der Corona-Krise erst später zu spüren bekommen.“

Beziehungskrisen und Konflikte verschärfen sich

Die psychosozialen Folgen der Corona-Krise sind vielschichtig, so auch die Gründe für psychische Krisen. Viele Menschen fühlten und fühlen sich im Stich gelassen – von den Arbeitgebern, der Regierung, Behörden und offiziellen Stellen. Gerade in dieser Zeit sind Familie und Freunde als moralische Unterstützung wichtig und werden meistens auch als solche erlebt. Zusammenleben auf sehr engem Wohnraum ohne Rückzugsmöglichkeit, Mehrfachbelastungen wie Homeoffice und Kinderbetreuung oder Gewalt in der Familie, können das Zusammenleben aber stark negativ belasten. Beziehungskrisen entstehen, aber auch „brodelnde Konflikte“, die im normalen Alltag ignoriert wurden, brechen aus.

„Am Telefon hören wir immer wieder, dass sich betroffene Menschen übersehen und nicht ernst genommen fühlen. Vor allem allein lebende Personen – sowohl alte als auch junge Menschen – macht eine soziale Isolation zu schaffen“, so Sonja Hörmanseder. 

Psyche unter Druck

Durch zunehmende Lockerungen der Corona-Maßnahmen, werden die psychischen Belastungen wieder sichtbarer und daraus können sich psychische Erkrankungen entwickeln. Der Alltag mit alten und corona-bedingten neuen Belastungen holt jetzt viele Menschen ein. Zukunftssorgen, Ängste, depressive Verstimmungen treten vermehrt auf – derartige Belastungen und Symptome sind aber auch eine völlig normale Folge der Umstände.

„Während der Akutphase der Corona-Krise gab es weniger Einsätze bezüglich Unfällen, Verbrechen und Suizide. Nach den Lockerungen der Vorgaben seitens der Regierung ist unser KaT-Team wieder vermehrt zur Unterstützung nach potentiell traumatisierenden Ereignissen (wie Unfall, Suizid, plötzlicher Todesfall oder Gewalttaten) unterwegs. Die prognostizierte Steigerung von Suiziden kann ich aus Sicht der Krisenhilfe OÖ derzeit (noch) nicht bestätigen“, sagt Hörmanseder. „Zweifelsfrei ist es aber heuer besonders wichtig, ausreichend niederschwellige Unterstützungsangebote für psychisch belastete Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Psyche der Bevölkerung wird in nächster Zeit massiv zunehmen.“

Unsicherheit belastet schwer

Neben dem viel zitierten „Lagerkoller“, belastet viele Menschen vor allem die Unsicherheit. „Wir bekommen täglich neue Informationen zum Thema Corona, was wir tun dürfen und was nicht. Verschwörungstheoretiker haben Hochsaison im Internet, auch das sorgt für Verunsicherungen. Besonders schwierig haben es Menschen, deren Zukunftsperspektive und Arbeitsstelle unsicher ist – zum Beispiel Arbeiter in der Gastronomie und im Kulturbereich“, sagt Martin Schmid, Mitarbeiter der Krisenhilfe OÖ. „Der anfänglich große soziale Zusammenhalt – trotz physischer Distanz – war für viele Menschen hilfreich. Schnell wurden Nachbarschaftshilfen etc. organisiert. Leider nimmt diese Solidarität jetzt wieder ab, die Leute verfallen wieder in alte Muster und damit auch in psychische Krisen. Menschen mit psychischen Erkrankungen brachen Angebote weg, somit verschärfen sich auch bei ihnen die psychischen Probleme.“

Rasche Hilfe rund um die Uhr

Die Krisenhilfe OÖ bietet umgehend professionelle Unterstützung bei psychischen Krisen. pro mente OÖ, EXIT-sozial, Rotes Kreuz, Telefonseelsorge OÖ und die Notfallseelsorge haben sich unter dem Namen „Krisenhilfe OÖ“ zu einem Trägerverbund zusammengeschlossen, um die zukünftige Krisenversorgung in Oberösterreich flächendeckend und noch umfassender gewährleisten zu können. Die Mitarbeiter stehen dabei unter der Telefonnummer 0732/2177 rund um die Uhr zur Verfügung. Das Angebot der Krisenhilfe umfasst telefonische und persönliche Krisenintervention, Onlinekrisenberatung, Hausbesuche, Unterstützung nach traumatischen Ereignissen und Unterstützung für Einsatzkräfte. Alle Leistungen sind dabei für die Betroffenen kostenlos.


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