Stadt der Frauen: Expertinnen diskutierten in Linz über Stadtplanung aus weiblicher Sicht
LINZ. Unter dem provokanten Titel „Sex and the City - So viel Frau steckt in unserer Stadt“ lud Vizebürgermeister Martin Hajart zum Expertentalk im Rahmen der Gesprächsreihe „Forward - VorDenken für Linz“. Thema war diesmal gendergerechte Stadtplanung, und inwiefern Frauen bei der Stadtentwicklung berücksichtigt werden.

Städte werden meist von Männern für Männer geplant. Dabei sind die Bedürfnisse an eine Stadt sehr unterschiedlich – das sogenannte „Gender-Planning“ setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Bedürfnisse aller sozialer Gruppen und Geschlechter in der Stadtplanung berücksichtigt werden können.
Im Offenen Kulturhaus Linz diskutierten am Podium Eva Kail, Expertin für gendergerechte Planung in der Stadtbaudirektion Wien, Claudia Falkinger von MobiliDat (Datenplattform für Gender und Mobilität) und LH-Stv. Frauenlandesrätin und Academia Superior-Obfrau Christine Haberlander.
Mobilität: Frauen gehen häufiger zu Fuß
Vizebürgermeister Martin Hajart, in Linz für Verkehr zuständig, sprach zu Beginn das Thema Mobilität an: so zeige die Mobilitätserhebung des Landes, dass Frauen in Linz mehr Wege zu Fuß zurücklegen (30 Prozent) als Männer (21,7 Prozent). Auch bei der Nutzung des Fahrrads gibt es Unterschiede: 7,7 Prozent der Linzerinnen fahren mit dem Rad, bei den Männern sind es knapp doppelt so viele. Dass Frauen immer noch mehr Care-Arbeit und damit Versorgungswege übernehmen und Frauen häufiger Teilzeit arbeiten, schlägt sich auch im Mobilitätsverhalten nieder.
Eva Kail: „Stadtplanung nimmt zunehmend Rücksicht auf den Alltag von Frauen“
Eva Kail setzt sich seit 30 Jahren für Gender-Mainstreaming in den Bereichen Städtebau und Wohnen, Verkehr sowie bei der Planung und Gestaltung öffentlicher Räume ein. Stadtplanung sei „nie geschlechtsneutral“, so Kail, bereits vor 30 Jahren habe sich in Studien zu Verkehrsdaten gezeigt, dass Männer häufiger mit dem Auto fahren, Frauen hingegen öfter zu Fuß gingen oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die Gestaltung der Stadt könne zwar nicht die Arbeitsteilung beeinflussen, aber Menschen beim Nachgehen dieser Arbeit unterstützen oder einschränken.
Zentral sei, dass alles Notwendige im unmittelbaren Umfeld verfügbar ist: Ärztinnenpraxen, Schulen, Einkaufmöglichkeiten. Positiv sei, dass in der Planung öffentlichen Raums zunehmend Rücksicht auf den Alltag von Frauen genommen werde.
Gute Beleuchtung sorgt für besseres Sicherheitsgefühl
Auch Sicherheit war Thema. „Das subjektive Sicherheitsgefühl ist für Frauen etwas Wichtiges. Eine gute Straßenbeleuchtung trägt dazu bei. Um Angsträume zu identifizieren, können etwa in der Planungsphase nächtliche Begehungen wie in Paris hilfreich sein.“, sagte Kail dazu. Dass Beleuchtung eine wichtige Rolle spielt, unterstrich auch LH-Stellvertreterin Christine Haberlander: „Es gibt hinsichtlich der Sicherheit eine absolut unterschiedliche Wahrnehmung zwischen Männer und Frauen. Und es lässt sich auch wissenschaftlich belegen, dass sich die Frauen in der Stadt oft unwohl fühlen, weil etwa Plätze sehr dunkel sind“. Auch wirke sich das subjektive Sicherheitsgefühl darauf aus, ob Frauen zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Auto unterwegs sind.
Christine Haberlander: „Wir müssen Frauen verstärkt in die Stadt- und Verkehrsplanung bringen“
Entscheidend sei im Bereich der Stadtplanung aber laut Haberlander auch die Sichtbarkeit von Frauen, etwa durch weibliche Straßennamen: „Es gibt so viele Frauen, die Vorbilder sind. Das Sichtbarmachen von Frauen ist essenziell. Sichtbar machen führt zu mehr Mut.“ Ebenfalls in die Zuständigkeit der LH-Stellvertreterin fällt der Bereich Bildung. Hier sei es schön zu sehen, welche Chancen Frauen 2023 haben. In Oberösterreich gäbe es um die 150 Programme, um Mädchen für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. „Wir müssen daher auch Frauen verstärkt in die Stadt- und Verkehrsplanung bringen. Das Motto muss sein: Tut es! Und für die Männer: Fürchtet euch nicht!“, so Haberlander.
Claudia Falkinger: Wie wäre es, wenn Männer einmal 'Frauensprechen' lernen?“
Claudia Falkinger ist CO-Founderin und CEO des internationalen Mobilitäts-Startups „Punkt vor Strich“ sowie Initiatorin des Netzwerks Women in Mobility Austria. Mit „MobiliDat“– der Datenplattform für Gender & Mobilität, gestaltet sie innovative und inklusive Mobilitätslösungen. Falkinger erinnerte in Bezug auf Bildung daran, dass die ersten Programmierer weiblich gewesen seien: „Aber es wird heute gerne aufgezählt, was Frauen alles noch lernen und erreichen sollen. Doch irgendwann ist es einmal genug – wie wäre es denn einmal mit einem Ausbildungsprogramm für Männer.“ Girls-Days samt Fortbildungen seien zu wenig, „Wie wäre es, wenn Männer einmal 'Frauensprechen' lernen?“, fragt Falkinger. Es brauche „uns alle gemeinsam“, um Frauen in die Mobilitätsbranche zu bringen und um jene sichtbar zu machen, die dort bereits arbeiten.
Vizebürgermeister will Vorschlag nach Pariser Vorbild aufgreifen
Vizebürgermeister Martin Hajart bilanzierte nach dem Expertentalk: „Es war ein gelungener Abend mit vielen spannenden Denkanstößen. Etwa das genannte Beispiel zu nächtlichen Begehungen in Zusammenhang mit der Straßenbeleuchtung werden wir für Linz aufgreifen.“
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