Hit bei Jugendlichen: TikTok-Stars Cop und Che zu Gast in Linz und Traun
LINZ/TRAUN. Wie ein Polizist und ein tschetschenischer Influencer auf TikTok Hunderttausende Jugendliche erreichen und warum ihr Zugang auch für Linz Vorbild sein könnte.

Cop und Che, das sind der Grätzelpolizist Uwe Schaffer (60) und der Tschetschene Ahmad Mitaev (24). Auf TikTok wurden die Videos der beiden bereits mehr als 20 Millionen Mal angesehen. Das Konzept ist einfach: Ahmad liest die Fragen der Follower vor, Uwe antwortet. Gefragt wird etwa: „Ab wann geht man ’meier’ mit Cannabis?“, „Wie läuft die Ausbildung bei der Polizei?“, oder auch „Was sind die Folgen, wenn ein Polizist Gewalt an einem Zivilisten anwendet?“.
Auf letztere Frage hätte auch Ahmad Mitaev sicher eine Antwort, seine Erfahrungen mit der Polizei waren vor dem Kennenlernen mit Uwe Schaffer häufig negativ, wie er im Interview mit Tips sagt. Er berichtet von Faustschlägen in die Rippen bei Durchsuchungen, es sei ihnen (tschetschenischen Jungs) oft gesagt worden: „Ihr seid’s ein Stück Scheiße.“
Auf Augenhöhe
Jetzt dreht er Videos mit einem Polizisten, was ist an Uwe Schaffer anders? „Er war der erste Polizist, mit dem ich auf Augenhöhe reden konnte, ohne verurteilt zu werden, bei dem ich Kritik äußern konnte, frei meine Meinung sagen. Er hat auch erklärt, warum bestimmte Sachen so passieren, also warum Polizisten handeln, wie sie in bestimmten Situationen handeln, und das war das erste Mal, als ich nicht auf Konfrontation in einem Gespräch war.“
Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Workshop im 20. Wiener Gemeindebezirk. Das Ziel: das Image der Polizei bei der tschetschenischen Community aufzubessern und umgekehrt. Den älteren Anwesenden fiel dazu ein, ein Video von einem Schachspiel oder einem Fußballspiel, Tschetschenen gegen Polizisten, auf Facebook zu posten. In diesem Moment, erzählt Uwe Schaffer, sei Ahmad Mitaev aufgesprungen: „Hey Leute, so geht es nicht. Wenn wir junge Leute erreichen wollen, dann müssen wir auf TikTok posten.“
„Dann stellt’s es halt ins Netz“
Schaffer habe sich dann gedacht, dass er sich mit dem jungen Mann einmal unterhalten wolle. Gefallen habe ihm, dass Mitaev etwas für Jugendliche machen wollte, das sei ihm selbst schon immer ein Anliegen gewesen. Aber: „Im Park erreiche ich zehn Leute, auf TikTok viele.“ Die Idee war schnell geboren, ganz so einfach ging es dann aber nicht weiter: Schaffer musste monatelange Überzeugungsarbeit leisten, bei seinen Vorgesetzten, beim Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Was schließlich genehmigt wurde, war ein Video, in dem „Cop und Che“ sich und ihr Konzept vorstellen – „Ja, dann stellt’s es halt ins Netz“, hieß es.
Auf Lesetour in Traun und Linz
Über das ungleiche Duo hat die Journalistin Edith Meinhart ein Buch geschrieben, im Zuge der Lesetour haben die drei gemeinsam mit Sozialarbeiter Fabian Reicher auch im Trauner Jugendzentrum XTreff und im Linzer Wissensturm Halt gemacht, wo auch das Interview mit Tips stattfand.
In dem Buch geht aber es um viel mehr als nur darum, wie ein Tschetschene und ein Polizist zu TikTok-Stars wurden. Ahmad Mitaev formuliert es vor Publikum so: „Ich will, dass ältere Österreicher verstehen, warum ein 13-Jähriger so wurde, wie ich geworden bin.“ Er hat Edith Meinhart im Detail erzählt, wie er es erlebt hat, als Tschetschene in Österreich aufzuwachsen. Er habe das Gefühl gehabt, „nirgends richtig zu sein“. In den Gesprächen mit Meinhart hat er auch eigenes Fehlverhalten nicht ausgespart. Als Jugendlicher hat er in U-Haft gesessen und sich dort radikalisiert.
In einer dramatischen Szene wird im Buch geschildert, wie der Vater ihn im letzten Moment davon abbringen kann, in einen Bus Richtung Syrien zu steigen, um in den Dschihad zu ziehen. Heute denkt Mitaev über eine Karriere im IT-Bereich nach und will Jugendlichen zeigen, dass sie nicht allein mit ihren Erfahrungen sind. Auch Uwe Schaffers Biografie und Perspektive werden im Buch beleuchtet. Und so, wie sich dort beide Lebensläufe und Sichtweisen gegenüberstehen, kommen „Cop“ und „Che“ daher. Keiner will den anderen auf Biegen und Brechen von seiner Meinung überzeugen, manchmal lassen sie Sätze einfach stehen und ungesagt schwingt mit: „Ich bin nicht derselben Meinung, aber ich respektiere deine.“
Vorbild für Linz?
An dem eiskalten Novemberabend ist die erste Sitzreihe im Wissensturm von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gesäumt. Sie alle folgen Cop und Che – vor allem Che – auf TikTok. Auch Sozialarbeiter sind da und wollen wissen, wie man erste Anzeichen von Radikalisierung bei Jugendlichen bemerkt. Auch für die Linzer Politik und für die Exekutive könnte der innovative Ansatz von „Cop und Che“ durchaus interessant sein, es ist offensichtlich, dass Jugendliche darauf ansprechen. Bei der Veranstaltung im Wissensturm waren Bildungsstadträtin Eva Schobesberger (Grüne) und Integrationsstadträtin Tina Blöchl (SP) anwesend. Ein Zuseher will „für die persönliche Statistik“ wissen, wie viele Vertreter der Exekutive da sind – außer Uwe Schaffer ist kein Polizist da.
„Cop und Che“ bewirken jedenfalls viel mehr, als nur das Netz um lustige Videos zu bereichern: Auf TikTok erreichen islamistische Influencer Millionen, gerade indem sie Alltagsfragen muslimischer Jugendlicher beantworten. Alternative Angebote braucht es also dringend.
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