Doris Hummer: Teilzeit arbeiten und Vollkasko-Sozialstaat geht sich nicht aus
LINZ/OÖ. Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer spricht im Tips Talk über aktuelle Herausforderungen und mögliche Lösungen.
Tips: Beginnen wir mit einer positiven Entwicklung: Es scheint erste Lichtblicke in Richtung einer konjunkturellen Erholung zu geben?
Doris Hummer: Ich bin viel in Oberösterreich unterwegs, die Stimmung ist gut. Und wir haben unsere Betriebe im November gefragt, wie sie die nächsten zwölf Monate sehen. 43 Prozent sagen, sie schauen mit Zuversicht in die nächsten zwölf Monate. Die relative Mehrheit sagt, sie erwartet eine positive Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten. Nur 20 Prozent sagen, dass sie sehr besorgt sind. Wir sehen, dass uns diese Rezession, in der wir schon seit zwei Jahren stecken, mit hoher Wahrscheinlichkeit 2025 verlassen wird. Das sagen auch die Wirtschaftsforscher. Wie gut wir diesen Turnaround schaffen, das hängt aber noch von wesentlichen Faktoren ab.
Man sagt oft, dass die Stimmung die Konjunktur macht.
Für mich hat die Wirtschaft immer zwei Faktoren. Das eine sind Zahlen, Daten, Fakten, und das andere ist die Stimmung. Es ist gut, dass man großes Vertrauen in das eigene Unternehmen hat. Das haben wir auch den vielen Herausforderungen der letzten Jahre zu verdanken. Wir sind krisenerprobt. Das Wissen, was alles passieren kann, hat dazu geführt, dass sich Unternehmen viele Pläne gemacht haben und gestärkt aus diesen schwierigen Jahren hervorgegangen sind. Trotzdem haben wir aktuell standortpolitische Hausaufgaben zu erledigen, die darüber entscheiden, ob wir wieder zu alter Stärke zurückfinden. Das ist noch nicht sicher.
Was erwarten Sie von den Koalitionsverhandlungen?
Das Wichtigste ist, die Verschuldung des Staatshaushaltes in den Griff zu bekommen. Man muss mit gutem Willen und ehrlich hinschauen, was man nicht mehr ausgeben will. Der zweite Bereich ist das Thema Entlastungspaket. Wir brauchen eine große Entlastung rund um die Lohnkosten. Das heißt, Nebenkosten runter, Priorität eins. Priorität zwei, Leistung muss sich lohnen. Wenn ich Vollzeit arbeite, wenn ich Überstunden leiste, wenn ich in der Pension weiterarbeite, dann muss etwas übrig bleiben. Diese Flat-Tax, die jetzt im Gespräch ist, ist eine sehr gute Idee.
Beim Thema Bürokratie ist eine Vollbremsung ganz wichtig: Wir brauchen einen starken Binnenmarkt und eine starke Europäische Union, die aber bei der Entbürokratisierung endlich Fahrt aufnimmt.
Sinkende Lohnnebenkosten würden auch sinkende Beiträge zum Sozialsystem bedeuten. Wie sehen Ihre Vorschläge zur Finanzierung aus?
Unser Vorschlag ist, die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds, die am Faktor Arbeit gebündelt sind, zu entkoppeln. Schülerfreifahrt, Kindergartenfinanzierung und dergleichen sind staatliche Aufgaben, sollten aber nicht die Lohnkosten verteuern. Wenn weitere Arbeitsplätze verloren gehen, wird weniger eingezahlt – das ist die Realität.
Auch die Arbeitslosenversicherung ist mit 5,9 Prozent höher als in Deutschland mit drei Prozent. Ich mache mir keine Sorgen um unseren Sozialstaat, der ist gut abgesichert und zu dem stehe ich, aber es braucht eine Entlastung derjenigen, die 40 Stunden pro Woche arbeiten gehen. Dieses klare Bekenntnis erwarte ich mir von der neuen Regierung, dass Vollzeitarbeit in unserem Land einen Wert hat. Teilzeit arbeiten und Vollkasko-Sozialstaat – das geht, wenn es ein paar machen, aber wenn es die Hälfte macht, geht es sich nicht mehr aus.
Sie sprechen von der Notwendigkeit, alternative Exportmärkte zu nutzen. Welche sind das?
60 Prozent unseres Wohlstands verdienen wir mit dem Export. Die zwei wichtigsten Länder sind Deutschland und die USA. Deutschland steckt mitten in einer Rezession, und die USA haben gerade mit Zöllen gedroht. Daher ist es wichtig, dass wir uns bei den Exportmärkten breit aufstellen und der Rest Europas, unser Binnenmarkt, in den Fokus rücken muss. Aber auch andere Länder, Stichwort Mercosur-Abkommen, wachsen extrem. Als Wirtschaftskammer begleiten wir die Betriebe mit unseren Außenhandelsstellen.
Apropos Zölle: Was halten Sie von einer „Festung Österreich“, wie sie Herbert Kickl fordert?
Jeder, der eine „Festung Österreich“ glaubt errichten zu müssen, um damit unseren Wohlstand zu erhalten, liegt falsch. Wir brauchen offene Märkte, weil wir exportabhängig sind. Und wir brauchen Zuwanderung. Die Demografie zeigt, dass deutlich mehr Menschen in Pension gehen als junge nachkommen. Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in den Sozialstaat, das ist der feine Unterschied.
Wird es in absehbarer Zeit eine neue Regierung geben?
Ich hoffe es. Nicht, weil ich eine besondere Präferenz für diese Koalition habe, sondern weil wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Ich wünsche mir eine handlungsfähige Regierung, die sich bewusst ist, dass es jetzt um den Wirtschaftsstandort geht. In Oberösterreich stehen die Wirtschaftskammerwahlen an. Wir hoffen auf einen starken Auftrag von den Unternehmen, denn ich glaube, wir haben bewiesen, dass wir umsetzen können.
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