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Hörmanseder: "Langanhaltende Einsamkeit kann zu Sucht und Suizidgedanken führen"

Tips Logo Wurzer Katharina, 25.11.2020 16:00

OÖ. Manchen Menschen wird durch die Vorgabe der Regierung erst so richtig bewusst, dass sie gar keine engen Bezugspersonen oder vertraute Menschen in ihrem Umfeld haben. Bei der Krisenhilfe Oberösterreich melden sich derzeit zunehmend Menschen, weil sie sich einsam fühlen. Tips hat sich bei der Leiterin Sonja Hörmanseder erkundigt, ob sie Unterschiede zwischen März und November bemerkt und inwiefern Telefongespräche sowie soziale Medien Abhilfe schaffen können.

  1 / 2   Bei der Krisenhilfe OÖ melden sich derzeit mehr Menschen, weil sie sich einsam fühlen. Darunter sind vor allem ältere Menschen, aber auch zunehmend Jugendliche oder freiwillig Alleinlebende (Symbolbild). (Foto: Volker Weihbold)

Bei der Krisenhilfe Oberösterreich melden sich derzeit mehr Menschen als vor der Corona-Pandemie, berichtet Sonja Hörmanseder. Häufige Themen sind Beziehungen, Depressionen, Suizidalität, aber auch Ängste und Einsamkeit. Je länger die Krise dauert, umso mehr sind Menschen durch Einsamkeit belastet. Während die Energiereserven der Menschen im März noch aufgeladener waren, wirkt die Dauer der Pandemie für einige Menschen im November nun belastend. Wer keine stabilen sozialen Kontakte oder enge Bezugspersonen hat, empfindet die Zeit meist als schwieriger, sagt Hörmanseder. Hinzu kommt,dass durch Homeoffice, Kurzarbeit oder den Verlust des Arbeitsplatzes die sozialen Kontakte über den Beruf reduziert werden oder gänzlich wegfallen. Waren diese Kontakte die einzig vorhandenen, verstärkt das den Leidensdruck.

Auch Menschen in einer Partnerschaft können einsam sein

Zu Einsamkeit hält die Leiterin der Krisenhilfe Oberösterreich fest, dass es einsamen Menschen an Vertrauens- und Bezugspersonen fehlt, die ihnen nahestehen, zu denen guter Kontakt besteht beziehungsweise zu denen eine emotionale und soziale Beziehung aufgebaut wurde. Dabei könnten Menschen, die sich in einer Partnerschaft befinden oder häufig unter anderen Menschen sind, genauso einsam sein, wenn Nähe, Verständnis und Vertrauen nicht vorhanden sind.

Einsam sind laut Hörmanseder vor allem ältere Menschen, Personen mit chronischen oder psychischen Erkrankungen, Alleinerziehende und unfreiwillig Alleinlebende. Durch die Pandemie kommen aber auch neue Gruppen hinzu. Dazu zählen etwa Jugendliche und junge Erwachsene, die jetzt keine Freunde treffen dürfen oder in der Partnersuche eingeschränkt sind, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie Personen, die zur Risikogruppe zählen. Diese ziehen sich möglicherweise selbst aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 zurück oder haben Bezugspersonen, die sich zu ihrem Schutz zurückziehen. Die Gefahr der Vereinsamung besteht auch für freiwillig Alleinlebende, die derzeit nicht ihre alltäglichen Kontakte in der Arbeit oder in ihrer Freizeit wahrnehmen können. „Einsamkeit ist so schädlich wie 15 Zigaretten pro Tag oder wie Alkoholmissbrauch. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass sich bei einsamen Menschen der Anteil des Stresshormons Coritsol im Blut erhöht, ebenso Blutdruck und Blutzuckerspiegel. Das führt zu einer Schwächung des Immunsystems. Es zeigt sich, dass Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit für Krankheiten wie Depressionen, Angsterkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Demenz erhöht“, betont die Leiterin der Krisenhilfe OÖ zur Relevanz des Themas.

Einsamkeit erhöht das Suchtpotential

Wie sich Einsamkeit konkret äußert? Menschen haben das Gefühl, mit ihren Sorgen und Ängsten alleine zu bleiben, niemandem wichtig zu sein, das Gefühl vergessen worden zu sein und nirgends dazuzugehören. Weitere Merkmale sind eine unbefriedigte Sehnsucht nach Nähe und Körperkontakt, ein leeres und trauriges Gefühl, Gefühle von Sinnlosigkeit und depressive Verstimmungen. Bereits vorhandene psychische Probleme wie Zwänge und Panikattacken können sich verschlimmern. Wenn Einsamkeit lange andauert, werden Hoffnung und Zuversicht weniger. Das Selbst- und Weltbild wird immer unrealistischer, die Betroffenen trauen sich selbst häufig nichts mehr zu. Um unerträglicher Leere zu entkommen, flüchten einsame Menschen häufig auch in Süchte. Spätestens wenn es zu Suizidgedanken kommt, ist professionelle Hilfe nötig, betont Hörmanseder.

Sie rät Menschen, die sich einsam fühlen, in Bewegung zu bleiben, sprich vorhandene Möglichkeiten wie einen Spaziergang im Freien zu nutzen, alte Kontakte wieder zu reaktivieren und sich mit anderen auszutauschen. Der Tag sollte strukturiert werden. Um keine Durststrecken zu haben, können persönliche und soziale Kontakte verteilt werden. Auch das Engagement in Form von freiwilligen Tätigkeiten wie Nachbarschaftshilfe im Ort, das Aufnehmen alter Hobbys, entspannende Tätigkeiten oder das Versorgen von Haustieren können Abhilfe schaffen.

Soziale Medien als Notprogramm

Telekommunikationsmittel sieht Sonja Hörmanseder differenziert. Grundsätzlich sind soziale Medien und Telekommunikationsmittel eine gute Möglichkeit, mit anderen wie Familienmitgliedern, Freunden oder Arbeitskollegen in Kontakt zu bleiben oder um Hilfsangebote wie das der Krisenhilfe in Anspruch zu nehmen. Zu beachten sei jedoch, dass ein persönlicher Kontakt schwer ersetzbar ist und soziale Medien kein reales Abbild des Lebens eines Menschen sind. Sie bieten daher auch die Gefahr, dass sich das Gefühl der Benachteiligung, der Einsamkeit und der eigenen Unzulänglichkeiten verstärkt. Soziale Medien sollte daher als Notprogramm und nicht als vollwertiger Ersatz eines persönlichen Kontakts gesehen werden, schließt Hörmanseder.

Ob die Leiterin der Krisenhilfe denkt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz über Einsamkeit zu sprechen, zunimmt? Einsamkeit sei medial als Thema präsenter, weil soziale Kontakte bei allen Menschen wegfallen oder zumindest sehr stark reduziert werden. Darüber zu sprechen könne aber genau deshalb leichter sein, weil die Einsamkeit als fremdverschuldet betrachtet wird. Damit wäre diese Akzeptanz also nur kurzfristig, meint Hörmanseder.

Hilfe

Krisenhilfe Oberösterreich: 0732/2177

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