Vom gemeinsamen Weg zu einer würdevollen Gedenkstätte in Gusen
ST. GEORGEN AN DER GUSEN/ LANGENSTEIN. Das Mauthausen Memorial führt derzeit einen umfangreichen Beteiligungsprozess zur Neugestaltung der Gedenkstätte Gusen durch. Bis Mitte 2023 soll der Masterplan stehen. Jetzt liegen erste Zwischenergebnisse vor.
In den Jahren 2021 und 2022 hat die Republik Österreich mehrere Grundstücke auf dem Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen I erworben, darunter einen Teil des früheren Appellplatzes, das Areal mit der Ruine des Steinbrechers und zwei ehemalige SS-Baracken. Auch der Eingangsbereich der einst von KZ-Häftlingen errichteten Stollenanlage „Bergkristall“ ging in den Besitz der Republik über. Ziel dieser Ankäufe ist es, die noch vorhandenen Überreste der ehemaligen Lager als Gedenk-orte zu gestalten und an das Gusen Memorial anzubinden.
Viele Menschen eingebunden
Um möglichst viele Interessensgruppen einzubinden, hat die KZ-Gedenkstätte Mauthausen einen Beteiligungsprozess zur Erarbeitung eines Masterplans gestartet. So fanden bereits mehrere Workshops mit interessierten Bewohnern sowie Mitgliedern der örtlichen Gedenkvereine und des Mauthausen Komitees statt. Der Langensteiner Bürgermeister Christian Aufreiter hatte zudem die Grundstücksanrainer zu direkten Gesprächen eingeladen. Die Gemeinden Langenstein und St. Georgen versandten Fragebögen an die Haushalte. Auch die letzten Überlebenden der Konzentrationslager von Gusen in Polen und Slowenien wurden befragt.
Weites Feld an Aufgaben
Diese Analysephase ist mittlerweile abgeschlossen. Die bisherigen Ergebnisse der Befragungen und der Workshops durch die beauftragte Agentur art:phalanx aus Wien zeigen ein weites Feld an Aufgaben, welche die erweiterte Gedenkstätte Gusen künftig erfüllen soll. „Der Spagat zwischen Erinnerung, Bewahrung der letzten baulichen Reste, Information an die nächsten Generationen und dem örtlichen Zusammenleben ist die Aufgabe unserer Zeit“, fasst Martha Gammer, Vorsitzende des Gedenkdienstkomitees Gusen, die Bemühungen zusammen.
Balanceakt schaffen
Bei den Diskussionen stand vor allem ein Thema im Mittelpunkt: den Balanceakt zwischen der Aufwertung der Gedenkstätte und dem Schutz der Bewohner zu meistern. Denn weite Teile des ehemaligen Lagerareals sind längst einer Wohnsiedlung gewichen. Ein gutes Miteinander zwischen den künftigen Besuchern und den Anrainern zu schaffen, ist daher ein wichtiges Ziel bei der Neugestaltung. Besonders häufig wurde hier der Wunsch nach einem offenen Begegnungsort genannt, der auch zum Austausch mit der Bevölkerung einlädt. Ein Mehrwert für die Bewohner könnte durch die Schaffung öffentlicher Naherholungs- und Aufenthaltsorte entstehen.
Bildungsstätte für Junge
Übereinstimmung herrscht bei den Befragten, dass mit der künftigen Gedenkstätte vor allem junge Menschen angesprochen werden sollen. Mit spezifischen Programmen für Schüler und internationale Jugendgruppen solle sich das Areal langfristig als Bildungsort etablieren, der eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte ermöglicht.
„Weg der Menschenrechte“
Ein erstes Projekt ist bereits umgesetzt. Der „Weg der Menschenrechte“ konnte durch lokale Eigeninitiative der „Bewusstseinsregion“ und des Gedenkdienstkomitees fertiggestellt werden. Er führt vom Bahnhof Mauthausen durch den Ort, hinauf zur KZ-Gedenkstätte und von dort zum Wienergraben und weiter zu den großen Gusener Steinbrüchen, zur Gedenkstätte Gusen und zur Stollenanlage „Bergkristall“.
Gedenkfeier am 6. Mai
Weitere Arbeitsgruppen werden sich bis zum Sommer mit den bisherigen Ergebnissen befassen, die dann die Grundlage für Detailplanungen bilden sollen. Bis Mitte 2023 soll der Masterplan stehen. Bei der internationalen Gedenkfeier in Gusen am 6. Mai werden laut Martha Gammer Berichte zum bisher wenig bekannten Widerstand der Frauen in Oberösterreich sowie Berichte des Widerstandes innerhalb der Gusener Lager in deutscher Sprache vorgetragen.
Die bisherigen Ergebnisse des Beteiligungsprozesses sind hier online abrufbar:
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