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Fotograf Josef Bollwein lichtet Personen und Gegenstände auf Fensterglas ab

Thomas Lettner, 19.04.2017 14:56

ST. PÖLTEN. Fotograf Josef Bollwein hat sich mit seinem Fotostudio „Flashface“ in der Herzogenburger Straße hauptsächlich auf Privat- und Firmen-Porträts spezialisiert. Mit der sogenannten „Wet Plate-Fotografie“, einer Technik, die schon die Pioniere der Fotografie im 19. Jahrhundert angewandt haben, erweckt der Österreichische Staatsmeister der Schwarz-Weiß-Fotografie von 2008 auch Bilder auf Glas zum Leben.

  1 / 3   Josef Bollwein mit seiner russischen Holzkamera der Marke Minpribor, mit der er die Wet Plates herstellt. Fotos: Thomas Lettner

Bollwein kam vor zwölf Jahren zur Fotografie. 2007 arbeitete er als Pressefotograf bei einer Agentur und konnte im Beruf und im Selbststudium sein Wissen erweitern. 2008 legte er die Lehrabschluss-, 2010 dann die Meisterprüfung ab. Die Technik der Wet Plate (nasse Platte)-Fotografie erlernte der 47-Jährige bei einem Fotografen aus München, der sich schon seit zwanzig Jahren damit befasst.

Auf Glas und Aluminium möglich

Entdeckt hatte Bollwein die Wetplate-Fotografie, als er ein Video des amerikanischen Fotografen Ian Ryan sah, der bis zu 2,50 Meter große Wet Plates – allerdings auf Aluminium – herstellt. „Aluminium hat Vor- und Nachteile“, meint Bollwein. „Es ist leichter zu verarbeiten und verzeiht mehr Fehler als Glas. Der Nachteil ist, dass die Bilder seitenverkehrt sind.“ Die auf Glas projizierten Bilder seien hingegen dynamischer, nicht gespiegelt und hätten mehr Tiefe.

Chemisches Verfahren bei der Vorbereitung

Der Prozess der Wet Plate-Fotografie läuft so ab: In der Dunkelkammer wird über eine Glasplatte, bei der es sich um ganz normales Fensterglas handelt, gelbliches Kollodium (eine Mischung aus Schießbaumwolle, Ether, Alkohol und drei verschiedenen Salzen) geleert. Dieses wird gleichmäßig auf der Platte verteilt, die dann abgetrocknet wird und in ein Silbernitrat-Bad kommt.

Kamera ist ein altes russisches Fabrikat

Das Kollodium zieht für drei Minuten das darin enthaltene Silber an, worauf eine lichtempfindliche Ebene entsteht, die einen ISO-Wert (Lichtempfindlichkeit des Bildsensors) von 0,5 bis 1,5 hat. „Die Wet Plates benötigen also sehr viel Licht oder eine lange Belichtungszeit“, erklärt Bollwein, der darin auch den Grund sieht, warum die Menschen auf alten Fotos nie gelächelt haben. Danach kommt die bearbeitete Glasfläche in eine Kassette, die in die Kamera – ein russisches Fabrikat aus dem Jahr 1968 – gesteckt wird.

Bild erscheint wie durch Zauberei

Sobald Bollwein den Auslöser drückt, ertönt ein lauter Knall und ein gleißend helles Licht blitzt auf, worauf das abzubildende Motiv auf die Platte belichtet wird. Dann kommt die Kassette raus aus der Kamera und zurück in die Dunkelkammer, wo die Platte innerhalb von 15 Minuten entwickelt werden muss, da sie sonst antrocknet und kaputt geht. Als Bollwein ein Gemisch aus Essig, Zucker und Eisensulfat über die Platte leert, erscheint wie durch Zauberei langsam ein Bild.

Dunkelkammer ist die größte Kamera Österreichs

Anschließend wird die Platte abgewaschen, um den öligen Film darauf zu entfernen, und in ein Fixierbad getaucht. Zum Schluss wird sie noch getrocknet und das Foto auf dem Fensterglas ist fertig. Die größten Wet Plates, die Bollwein in seinem Studio schießen kann, sind 70 mal 50 Zentimeter groß. Die Dunkelkammer fungiert dabei selbst als Kamera, die laut Bollwein sogar die größte ist, die es in Österreich überhaupt gibt. In der Eingangstür der Dunkelkammer ist ein großes Objektiv angebracht, am hinteren Ende der Kammer wird das Glas montiert.


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