Zum zweiten Mal am Jakobsweg: Am Ende flossen die Tränen
KLEINREIFLING. Von Porto über das Landesinnere führte Renate Zawrel ihre Pilgerreise im April nach Santiago de Compostela.
2022 pilgerte die Kleinreiflingerin die Strecke entlang der Küste (Caminho Português da Costa), heuer entschied sich Renate Zawrel dazu, über das Landesinnere von Portugal ins spanische Santiago de Compostela zu marschieren (Caminho Central Português).
„Die Wetterprognose bereitete mir ein wenig Unbehagen: heftiger Regen, Sturm und keinesfalls angenehme Temperaturen waren angesagt“, erzählt Zawrel. „Andererseits war die Ausrüstung dieses Mal auch auf solche unangenehmen Seiten des Wanderns vorbereitet. Es kommt, wie es kommen soll.“
Nach einer Übernachtung in Porto begann ihr Weg am 7. April, wo sie den Startstempel in der Kathedrale Sé holte und das obligatorische Foto mit dem Kilometerstein machte. Der erste Pilgertag forderte die Kleinreiflingerin gleich zum Ausloten der persönlichen Grenzen: 36 Kilometer waren eine große Herausforderung. „Zwar ging es eben, zum Teil auf Holzstegen dahin, da die ersten zwei Etappen wieder entlang des Atlantiks verliefen, aber der Anblick der Unterkunft in Esposende brachte zugegeben Freude und Erleichterung“, so die Pilgerin.
Am zweiten Tag kam das Regenequipment zum Einsatz und war bis Mittag Schutz vor dem Regen. Allerdings war es wirklich nur Regen und keine Regengüsse. Auch der Wind hielt sich großteils zurück und am frühen Nachmittag lachte schon die Sonne aus den Wolken. Die Spuren des Starkregens der vergangenen Wochen waren allerdings unübersehbar. „Sowohl der Weg zur Steinbrücke über den Rio Neiva und dann später ab der Kirche Santiago waren reine Matschpisten“, so Zwarel. Tipp der Kleinreiflingerin: gutes Schuhwerk zahlt sich aus.
Einen Wunsch erfüllt
Am dritten Pilgertag erfüllte sich Zawrel den Wunsch, zum Templo de Santa Luzia hochzugehen. Ungeplant war, dass die Standseilbahn außer Betrieb war und siebenhundert Stufen hinauf und natürlich auch wieder hinuntergestiegen werden mussten. Weiter ging es an diesem Tag mit dem Wechsel auf den ,Central-Weg‘, nach Ponte de Lima. Auch hier immer wieder Teile des Weges (Ecovia), die noch unter Wasser standen und großräumiges Ausweichen (teilweise mit Bus) notwendig machten. Diese Etappe gehört nicht zum offiziellen Weg und ist auch nicht mit den Jakobswegzeichen (Muscheln und Pfeilen) gekennzeichnet. Praktischerweise führt der Weg immer neben einem Fluss und Verlaufen ist nicht möglich.
Ab nun waren die Etappen Neuland für Renate Zawrel. Vorsorglich inspizierte sie noch am Nachmittag, wo der Jakobsweg weiterführte. Immerhin wird der nächste Abschnitt als eine „Königsetappe“ bezeichnet. Einige Beschwerlichkeiten in Form von vielen steilen und unbequemen Höhenmetern sind hier zu meistern. Doch nicht nur Unangenehmes wartet: an diesem Tag fand auch das Kennenlernen mit lieben Weggefährten statt, mit denen es ein gemeinsames Finale in Santiago de Compostela geben sollte.
Der Alto de Portela wurde – ziemlich schweißgebadet – bezwungen und die nächsten Tage verliefen fast immer mit Anstiegen und Abstiegen, die gut bewältigbar waren. Von Agualonga ging es zur Grenzstadt Valença, danach über die Puente Internacional nach Spanien (Stadt Tui) zum Tagesziel O Porriño, danach folgen Arcade (über Redondela, wo der Weg wieder jenen aus 2022 trifft), Caldas de Reis und Padron.
Kilometer fliegen dahin
Von hier sind es noch rund 26 Kilometer bis Santiago de Compostela. Die Tagesetappen der letzten Tage beliefen sich auf Distanzen zwischen 20 und 30 Kilometer. „Je näher man dem Pilgerziel kommt, desto schneller scheinen die Kilometer dahinzufliegen“, erzählt Zawrel.
Man brauche sich nicht zu schämen, wenn Emotionen sichtbar werden. So flossen auch bei Renate Zawrel Tränen. „Wahrscheinlich ist es gleichgültig, ob man das erste oder x-te Mal in Santiago de Compostela ankommt. Es war kein kurzer Spaziergang, sondern Tage, an denen man sich schon Mittag einfach nur ein Bett wünscht. Aber man setzt Schritt für Schritt – bis ans Ziel und es ist ein erhebendes Gefühl, wenn man es schafft. Und es ist nicht nur ein dahingesagter Spruch, es stimmt: Der Caminho gibt dir, was du brauchst“, bilanziert die Kleinreiflingerin.
Für Renate Zawrel war es diesmal aber noch nicht das Finale. Es ging noch weiter nach Fisterra (Finisterra), zur Costa del Morte – zum ,Ende der Welt‘. Dort den 0 km-Stein zu umarmen und in den Abendstunden am Kap noch den Sonnenuntergang miterleben zu können, war für sie das i-Tüpfelchen und ein persönliches Highlight.
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