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Im Seniorenwohnheim Bad Hall gibt es Dankbarkeit statt Druck

Robert Hofer, 16.04.2025 09:50

ROHR IM KREMSTAL. Mit 50 Jahren stellte sein Hausarzt Dietmar Kastler aus Rohr im Kremstal vor die Wahl: Entweder er ändert sein Leben – oder er wird die Pension nicht erleben.

Dietmar Kastler mit Angela Haselberger (Foto: Caritas)
  1 / 2   Dietmar Kastler mit Angela Haselberger (Foto: Caritas)

„Würde ich heute entscheiden, würde ich den Wechsel zehn Jahre früher machen“, sagt Kastler rückblickend. Nach 27 Jahren in der Baubranche – davon neun als selbständiger Unternehmer mit zwölf Mitarbeitenden – war er ausgebrannt. In ganz Österreich galt es, Gerüste von Baustelle zu Baustelle zu transportieren. Fehlendes Personal sorgte für Engpässe. Oft musste er am Wochenende ausbessern, was unter der Woche nicht ordentlich erledigt wurde.

Im Familienkreis wurde ihm ein anderes Berufsbild vorgelebt: Tochter und Schwiegersohn arbeiten beide im Sozialbereich. Mit dem Schwiegersohn ging er ins Caritas-Seniorenwohnhaus Schloss Hall in Bad Hall schnuppern. „Das hat mir gefallen. Ich habe generell gerne Kontakt und Umgang mit älteren Menschen“, erinnert sich Kastler. „Nach der vielen Arbeit am Bau hat mich auch das Arbeiten nach Dienstplan gereizt. Da hat jeder Dienst einen Anfang und ein Ende.“

Firma verkauft

2017 verkaufte er seine Firma, absolvierte die zweijährige Ausbildung zum Fachsozialbetreuer Altenarbeit – und ist bereits während der Ausbildung Teil des Caritas-Teams in Schloss Hall, wo er auch nach Abschluss der Ausbildung geblieben ist. „Ich habe keine Sekunde bereut“, sagt er mit Überzeugung.

 „Der größte Unterschied? Die Dankbarkeit“, betont der heute 56-Jährige. „In der Baubranche herrscht ein deutlich rauerer Ton, es wird nur Druck gemacht. Hier bedanken sich die Menschen bei mir einfach dafür, dass ich für sie da bin.“

Ein Beruf in der Betreuung und Pflege erfordert Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Vertrauen. „Vertrauen entsteht durch Zeit und Beziehung“, sagt Dietmar Kastler. „Im Alltag lernen die Bewohner und ich uns kennen, wir reden, lachen, erleben schöne Momente – und daraus wächst dieses Vertrauen.“

Enge Bezugsperson

Von seinem Umfeld erlebt er Bewunderung für seine Berufswahl und sein Durchhaltevermögen. Manchmal begegnet er aber auch Vorurteilen – dann klärt er auf. „Viele haben eine falsche Vorstellung von unserem Beruf“, sagt er bestimmt und erläutert, worum es ihm eigentlich geht: „Ich sage ihnen: Wir sind für die Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt da. Wir sind ihre Bezugspersonen, wir begleiten sie tagtäglich. Da kommt so viel zurück. Wenn ich nach einem freien Tag wiederkomme, fragen sie mich: ‚Wo warst du denn?‘ oder sagen: ‚Schön, dass du wieder da bist. Du warst so lange nicht da.‘“

Mit Empathie und der Liebe zum Umgang mit älteren Menschen bringt jeder Tag viele erfüllende, schöne Momente mit sich: „Wenn die Leute dich anlachen, wenn sie dir ein Kekserl schenken, einfach aus Dankbarkeit. Oder wenn ich einer Bewohnerin die Blumen gieße und sie sagt: ‚Du weißt eh, Menschen, die Blumen versorgen, sind gute Menschen.‘“

Besonders in Erinnerung blieb der letzte Bewohnerausflug. Gemeinsam wurde getanzt. Eine Bewohnerin spricht seitdem fast täglich vom nächsten Ausflug. Sie übt seither das Tanzen. Auch mit der Physiotherapeutin geht sie die Walzerschritte durch. „Denn ich will nächstes Jahr gscheit tanzen mit dir“, sagt sie zu Dietmar Kastler. Für ihn ist das einer dieser Momente, in denen er weiß: Er ist genau am richtigen Platz.

 


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