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"Diese Mittel würde bestimmt keiner trinken"

Online Redaktion, 19.04.2021 14:06

ADLWANG. Matthias Gaißberger klärt im Interview auf, welche Mittel die heimischen Bauern auf ihren Feldern spritzen und warum in Bier Glyphosat nachgewiesen werden kann.

Matthias Gaißberger (r.) führt Boden-Wasserschutz-Beratungen durch. (Foto: LK OÖ/Mario Heim Fotografie)

Sie sind Landwirt in Adlwang. Was produzieren Sie auf ihrem Hof?

Matthias Gaißberger: Wir sind ein landwirtschaftlicher Familienbetrieb mit Ackerbau und Schweinehaltung. Auf unseren Flächen wachsen die Futtermittel für unsere Tiere wie Körnermais, Weizen, Gerste, Roggen und Sojabohne. Zusätzlich wird bei uns noch der Ölkürbis angebaut.

Was befindet sich in den kommenden Monaten hauptsächlich in den Feldspritzen der Landwirte?

Matthias Gaißberger: Die wichtigsten Mittel sind zur Regulierung von Unkräutern und Pilzen auf unseren Feldern. Bei einem starken Schädlingsdruck kann der Einsatz von Insektiziden notwendig sein. Es werden oft auch Blattdünger oder Effektive Mikroorganismen ausgebracht, darum kann es auch sein, dass man einen biologisch wirtschaftenden Landwirt mit einer Feldspritze sieht.

Warum haben viele Konsumenten so viel Angst, wenn sie einen Landwirt mit einer Feldspritze sehen?

Matthias Gaißberger: Natürlich haben angstmachende Bilder und Berichte stark dazu beigetragen. Gewisse Organisationen sind auf das Lukrieren von Spenden angewiesen. Bei der Landwirtschaft geht das Angst machen leider sehr leicht, die Gefahr vor der eigenen Haustür sozusagen. Wir Landwirte haben in Österreich strengste Vorschriften, Auflagen und ein sehr engmaschiges Kontrollwesen. Unsachgemäße Anwendung würde schnell auffallen. Die Landwirte selbst dürfen nur mit einem Nachweis einer sachkundigen Anwendung überhaupt Pflanzenschutzmittel erwerben. Somit passiert es auch nicht, dass jemand nicht weiß was und wie er es anwenden muss.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Landwirte würden die Ausbringung ihrer Mittel verharmlosen?

Matthias Gaißberger: Ich würde es nicht als verharmlosen bezeichnen. Ich denke die Landwirte wissen einfach wovon sie sprechen. Sie wissen über die Art der Anwendung Bescheid. Es gibt Anwendungsvorschriften und die werden eingehalten. Die Mittel würde bestimmt keiner trinken – aber dafür sind sie ja auch nicht da, es kommt ja auch keiner auf die Idee einen Becher Waschpulver zu essen.

Wäre es möglich, ohne einer Feldspritze einen Acker zu bearbeiten?

Matthias Gaißberger: Ein großer Anteil wird bereits ohne Feldspritze bewirtschaftet, das sind die Flächen die biologisch bewirtschaftet werden aber auch Feldfutterflächen, also Wiesen die auf Ackerflächen angelegt werden. Auch Bracheflächen die als Rückzugsmöglichkeit für Insekten und das Wild von den Landwirten angelegt werden haben einen hohen Anteil. Bei den anderen Feldfrüchten schwankt die Intensität. Wir in Steyr-Land sind im sogenannte Feuchtgebiet. Wir brauchen tendenziell etwas mehr Pflanzenschutzmittel als zb. im trockenen Osten von Österreich. Bei Sojabohne und Mais brauchen wir fast ausschließlich Mittel zur Unkrautbekämpfung. Umso trockener ein Gebiet ist, umso eher können diese Unkräuter dann mechanisch, sprich mit dem Traktor und speziellen Geräten entfernt werden. Bei Zuckerrübe und Winterraps ist deutlich mehr Pflanzenschutzmitteleinsatz notwendig und diese stehen medial daher leider oft in der Kritik. Die Doppelmoral unsere heimische Produktion zu erschweren und dafür Importe von Rohrzucker und Palmöl indirekt zu fördern wird da leider oft ausgeblendet.

Wie wird Glyphosat in Österreich angewendet, und was ist der Unterschied bei der Anwendung im Ausland?

Matthias Gaißberger:Glyphosat wird in Österreich ausschließlich vor der Aussaat von Nutzpflanzen angewendet. Bevor die Samenkörner auf die Ackerflächen gesät werden, wird mittels Glyphosatanwendung das Unkraut beseitigt. Vielen Konsumenten ist hier nicht klar, dass keine Nutzpflanze in Österreich in direkten Kontakt mit Glyphosat kommen kann und darf. Im Gegensatz dazu ist es weltweit eine gängige Methode Glyphosat kurz vor der Ernte auf die Kulturen auszubringen, um einen gleichmäßigen Reifegrad zu erreichen, dabei spricht man von der sogenannten Sikkation die in Österreich verboten ist.

Stimmt es, dass in Bier oder Urin der Österreicher Glyphosat nachgewiesen werden konnte?

Matthias Gaißberger:Grundsätzlich sollte man die Thematik immer in Relation setzen. Bei Bier müsste man 3000 Liter am Tag trinken, dann würde der Anteil von Glyphosat eine bedenkliche Dosis erreichen. Ich habe bei der Thematik aber auch einen pragmatischen Zugang. Ich möchte auch kein Glyphosat in meiner Nahrung haben. Für alle Rohstoffe die in Österreich erzeugt werden kann ich das auch mit guten Gewissen behaupten.

Warum findet man dann trotzdem Glyphsat?

Matthias Gaißberger: Weil eben die Sikkation im Ausland erlaubt ist, und viele Nahrungsmittel ausländische Zutaten beinhalten ist es in vielen Dingen nachweisbar. Die Herkunft ist aber ursprünglich auf den Einsatz im Ausland und die Nahrungsmittelherkunft zurückzuführen. Dem kann man nur mit einer ausschließlichen regionalen Ernährung entgehen.

Wie viel Verständnis bringen die Menschen für den Ackerbau auf?

Matthias Gaißberger: Ich habe selber Ackerflächen angrenzend an Siedlungen, Radwege und Co. Nach Möglichkeit führe ich meine Arbeiten so durch, dass ich andere nicht beeinträchtige. Wir Landwirte sind es gewöhnt, aufgrund von Wetterschwankungen mit Arbeitsspitzen zu leben, leider können wir in diesen Phasen nicht alle Wünsche berücksichtigen. Fast jeder Landwirt den ich kenne hat es schon erlebt, dass ihm der Vogel gezeigt wurde oder er böse Blicke geerntet hat. Nach einem langen Arbeitstag und mit der Motivation hochwertige Lebensmittel zu erzeugen, können so Reaktionen doch sehr frustrierend sein. Im diesem Sinne möchte ich um Verständnis bitten und meine Standeskollegen auch motivieren, auch wenn es stressig ist, kurz stehen zu bleiben und zu erklären was man da eigentlich macht.

Matthias Gaißberger aus Adlwang ist Landwirtschaftskammerrat und Arbeitskreisleiter der Boden-Wasserschutz-Beratung.

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