Ein Seelsorger für Jugendliche im Dekanat Ottensheim und Obdachlose in Linz
BEZIRK. „Als Jugendlicher war Kirche für mich immer langweilig, veraltet und vor allem unsinnig“, sagt Julian Kapeller. Seit 2020 ist er nun Jugendbeauftragter im Dekanat Ottensheim und seit September Obdachlosen-Seelsorger im Raum Linz. Wie sich seine Meinung zur Kirche geändert hat und was ihn in seinem Berufsalltag bewegt, erzählt der 32-Jährige im Tips-Talk.

Unverständliche Rituale, alte Lieder und religiöser Glaube als Gegenteil von naturwissenschaftlichem Wissen: Das dachte der junge Physikstudent Julian Kapeller von der Kirche. Bis er eines Tages in die Katholische Privat-Universität Linz kam. „Ich erfuhr zu meiner Überraschung, dass die dort gar nicht glauben, dass die Welt in sieben Tagen erschaffen wurde. Es ist eine Frage der Perspektive, wie man zum Beispiel Bibeltexte liest. So ergab sich für mich ein Zugang zum metaphysischen Überbau des Christentums, welcher mich in meinen persönlichen Sinnfragen des Lebens bestärkte“, erzählt Kapeller.
Kirche für junge Menschen zugänglich machen
Ein Besuch in der Linzer Jugendkirche „Grüner Anker“ zeigte dem Theologen, dass Kirche ein Raum für Gemeinschaft, Austausch und Inspiration ist. Das versucht er in seiner Arbeit als Jugendbeauftragter der Gemeinden Eidenberg, Feldkirchen, Goldwörth, Gramastetten, Ottensheim, Puchenau, St. Gotthard, Walding und Wilhering (Bezirk Linz-Land) umzusetzen. „Sakralraum soll neu erfahrbar werden durch Musik, Theater, Street-Art und Tanz. Kunst und Kultur war immer schon eng mit Kirche verwoben, um die Botschaft Jesu, den Auftrag von Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit immer wieder neu spürbar zu machen“, erklärt der 32-Jährige. Was er an der Arbeit mit jungen Menschen besonders mag, sind die Momente, in denen sich ihre Welt für einen Augenblick öffnet und sie eine ganz neue Seite des Glaubens entdecken. „Wenn junge Menschen beispielsweise in einer prachtvollen barocken Kirche zu elektronischen Beats tanzen und wir danach vor der Kirchentür ins Gespräch kommen, spüre ich, wie tief ihre spirituelle Sehnsucht eigentlich ist“, sagt Kapeller.
„Eigene Art des Glaubens, die Sinn und Kraft gibt“
Jungen Menschen die Kirche als Ort der Gemeinschaft und Inspiration zugänglich zu machen, ist nur ein Teil seiner Arbeit. Kirche bedeutet für ihn auch, aktiv zur Gestaltung einer gerechteren Welt beizutragen und für diejenigen da zu sein, die oft übersehen werden. „Als Obdachlosen-Seelsorger nehme ich mich der spirituellen Bedürfnisse von Menschen an, die auf der Straße leben. Diese Menschen haben häufig eine eigene Art des Glaubens entwickelt, der ihnen Kraft und Sinn und Kraft im Alltag gibt“, erzählt der Theologe.
Wallfahrt nach Bad Ischl
Er gestaltete eine Gedenkfeier am Barbarafriedhof Linz und ein Weihnachtsessen gemeinsam mit dem Bischof. Zu seinen Aufgaben zählt auch die Organisation von Sozialbegräbnissen, bei denen Menschen gewürdigt werden, die sonst niemanden mehr hatten. Oft ist er in sozialen Tageseinrichtungen wie der Wärmestube unterwegs: „Es ist eine Arbeit, die viel Feingefühl erfordert, aber auch unglaublich erfüllend ist.“ Was ihn in seiner Arbeit besonders bewegt hat, war eine Wallfahrt mit obdachlosen Menschen nach Bad Ischl (Bezirk Gmunden). „Obdachlosigkeit ist viel mehr als das Fehlen eines Dachs über dem Kopf. Es ist vor allem auch soziale Isolation. Die Erfahrung des Unsichtbarseins für andere ist es vielleicht, die diese Menschen zu Lehrern von Gemeinschaft macht“, sagt der Seelsorger. Ob beim Dialog im Zug, beim gemeinsamen Feiern in der Kirche oder beim Teilen einer Mahlzeit – in ihrem Miteinander sieht er oft, wie die Menschen „das Nichts, das sie haben, teilen und füreinander da sind“. Ein Moment der Wallfahrt blieb ihm besonders in Erinnerung: „Besonders berührend war ein Moment in einem Café, in dem es zum Kaffee keinen Kuchen gab. Ein Teilnehmer machte daraus eine humorvolle Szene, die uns alle zum Lachen brachte. Fremde Frauen am Nachbartisch, die das mitbekamen, brachten uns wenig später süße Köstlichkeiten. Diese kleinen Gesten zeigen, wie Gemeinschaft durch Achtsamkeit und Herzlichkeit wächst. Es braucht oft nicht viel, um füreinander da zu sein. Hinschauen, hinhören ist oft schon genug. Diese Erfahrung hat mich nachhaltig bestärkt, in meiner Arbeit für Menschen da zu sein und Räume für Begegnung zu schaffen.“
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