Gesamtkunstwerk: Dieser Zwettler treibt es bunt
ZWETTL. Es ist von der Bundesstraße aus nicht ersichtlich, biegt man aber beim Zwettler Gymnasium in Richtung Alpenlandstraße ab, ist es kaum zu übersehen – das womöglich bunteste Haus im Bezirk.
„Eines schönen Tages bin ich auf meiner Liege im Garten gelegen und habe mir gedacht, ich könnte eigentlich die Mauer anmalen“, lacht der Zwettler Walter Siedl. Gesagt, getan, seit 2009 wird die Fassade Stück für Stück mit kleinen Kunstwerken versehen. Angefangen hat Walter bei einem Fenster auf der Gartenseite, das war von der Höhe her praktisch. Ohne sich vorher Gedanken über das Endergebnis zu machen oder sich eine Skizze anzufertigen, pinselte er darauf los. „Ich habe nicht gewusst, was das Ergebnis sein wird, es ist alles aus dem Moment entstanden.“ Was jedoch erstaunt, dass jedes Fenster exakt gleich umrandet ist, jede Linie dieselbe Stärke hat und auch die Farbwahl ident ist. Manche Kunstwerke kann er selbst nicht in Worte fassen, dennoch macht es nach außen hin den Eindruck, als ob jeder Pinselstrich gut durchdacht wäre.
Ein „gschickter Linker“
Ob Walter Siedl das etwa beruflich erlernt hat? „Nein, ich bin eigentlich Tischler und habe die Malerei aus Zeitgründen stets komplett vernachlässigt, nun habe ich Zeit und Lust, mich hier auszutoben.“ Der 55-jährige Zwettler war beruflich in Wien tätig, bis er einen Arbeitsunfall erlitt. Seitdem ist seine rechte Hand steif, eine Faust zu machen ist unmöglich, geschweige denn einen Hammer zu halten. So musste er sich nach und nach mit seiner Linken anfreunden. „Es war schon eine heftige Umstellung, alle automatisierten Vorgänge waren plötzlich mühsam.“ Umso erstaunlicher, dass seine Vielzahl an geschwungenen Linien und Kunstwerken davon unbeeindruckt blieben. Er sei jetzt einfach ein „geschickter Linker“, schmunzelt er. Aus dem kleinen Pavillon im Garten dringt klassische Musik, es ist Walter Siedls Sommerhäuschen, wie er es stolz nennt, selbst angefertigt. Was auf den ersten Blick verwundert, dass das kleine gemütliche Innenleben farbtechnisch noch unberührt blieb. „Das ist Naturholz und soll auch so bleiben, für mich strahlt es Gemütlichkeit aus“, erklärt er.
Allerdings hat sich Walter nicht nur auf das Äußere des Hauses beschränkt, nein, auch in seinen vier Wänden hat er es ganz schön bunt. Seit 2005 – als er wieder zurück ins Waldviertel kam – wird hier Jahr für Jahr gemalt. Wow – die Küche ist vielfach in Blau gehalten, im Wohnzimmer nebenan regiert Orange. Begründen kann er seine Farb- oder Formenwahl allerdings nicht, das sei alles intuitiv.
Und wie gefällt ihm sein Gesamtkunstwerk bislang? „Ja immer besser, das Malen ist für mich wie eine positive Droge, wie Meditation, es füllt mich aus und macht Spaß“, erläutert er seine Motivation. Und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht – vielleicht kommen irgendwann sogar die Dachziegel an die Reihe.
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