Mit Bühnenmeister Christian Leitgeb hinter den Kulissen des Burgtheaters
ZWETTL/WIEN. Sein Arbeitsplatz erstreckt sich auf etwa 780 Quadratmeter, von dort aus geht es rund 15 Meter in die Tiefe und 36 Meter in die Höhe. Christian Leitgeb ist Bühnentechniker bei „dem“ Theater Österreichs, dem Burgtheater. Im Gespräch erzählt der Zwettler von seinem umfassenden Aufgabengebiet, den täglichen Herausforderungen und den vielen kleinen Abenteuern, die den Job so spannend machen.

„Irgendwer meinte mal, man kann das Wiener Riesenrad auf der Bühne des Burgtheaters versenken, meinen Berechnungen nach, geht sich das knapp nicht aus“, grinst Christian Leitgeb. Der 45-Jährige ist seit 24 Jahren im Bundestheater in Wien tätig, nächstes Jahr, zum 25-Jährigen, erhält er den Burgtheaterring, und das obwohl er sich anfangs nicht sicher war, ob das „das Seine“ sei.
Es war sein Onkel der ihn damals auf den „Gusto“ brachte, dieser arbeitete nebenher als Billeteur bei der Volksoper und hat des Öfteren davon erzählt. So kam es, dass sich Christian Leitgeb 1993 unter anderem auf „der Burg“ bewarb. Kurz darauf, vor Weihnachten, stand bereits erste durchgehende Dienste vor der Tür. „Ich habe mich nachher schon gefragt, ob ich das mein Leben lang aushalte?“, erinnert sich der gelernte Tischler. Doch er blieb und nicht nur das: Seit 2011 hat er die Meisterprüfung zum Bühnen- und Veranstaltungstechniker in der Tasche, ebenso holte er die Matura im zweiten Bildungsweg nach.
Perfektes Timing ist alles
Gerade erfolgte die Premiere von Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“, ein Stück, wo die Drehscheibe (21 Meter Durchmesser), die sich auf der Hauptbühne befindet, eine zentrale Rolle einnimmt. Im drehbaren Teil dieser zylinderartig, nach unten verlaufenden, Bühne sind vier Hubpodien eingebaut, die vollkommen geräuschlos während der Vorstellung bis auf ein Meter Höhe gehoben und bis auf acht Meter Tiefe (Unterbühne) gesenkt werden können und so einen Dekorationswechsel binnen 40 Sekunden ermöglichen. Auf 28 Meter Höhe befindet sich über der Hauptbühne der Schnürboden samt 119 Zugstangen, mit denen Teile des Bühnenbildes angehoben werden können. Während diese früher händisch bedient wurden, hat man nun die Hälfte aller Zugstangen auf Hydraulikbetrieb umgerüstet.
Diese drei Ebenen, Schnürboden, Haupt- und Unterbühne müssen von Bühnentechnikern wie Christian Leitgeb genau koordiniert werden. Genau das wird in der meist dreiwöchigen Probezeit perfekt eingerichtet und mit Licht und Ton abgestimmt. Doch es ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. An die 100 Bühnentechniker, darunter neun Bühnenmeister, sorgen von Montag bis Sonntag für einen reibungslosen Ablauf hinter den Kulissen. Und dabei ist das perfekte Timing das Um- und Auf.
Hauptaufgabe: Sicherheit
Es sind oft entscheidende Kleinigkeiten, wie eine Tür im richtigen Moment aufzumachen. „Ist man zu spät dran, läuft der Schauspieler gegen die Tür, macht man sie zu früh auf, sieht man auf die Hinterbühne“, berichtet Leitgeb von den vermeintlichen kleinen Arbeitsschritten, die aber exakt auf den szenischen Ablauf abgestimmt werden müssen.
Bei Shakespeare's „König Lear“ gehen fünf Schauspieler über eine Klappe runter und steigen dann in ein kleines Bühnenbild ein, das hochfährt. „Ich gebe das Freizeichen dafür. Wenn Bühnenbilder verschwinden und Versenkungen aufgehen, dann muss man irrsinnig aufpassen“, denn teilweise geht es acht Meter in die Tiefe. Und sei es nur die Kapuze des Schauspielers, die sich beim Hochfahren verkeilt. „Wenn dabei jemandem die Hand eingezwickt wird, ist das schon schlimm genug, ist dieser Jemand aber ein Klaus Maria Brandauer, ist das umso schlimmer“, meint der 45-Jährige, der es als seine Hauptaufgabe empfindet, die Sicherheit der Schauspieler und des Technikerteams zu gewährleisten.
Sicherheit wird grundsätzlich großgeschrieben. Vor jeder Vorstellung gibt es eine 25-minütige Begehung, wo Leitgeb gemeinsam mit einem Betriebstechniker und einem Mitglied der Feuerwehr Fluchtwege, Notlichter oder Feuerwehrzufahrten kontrolliert. Mit ihrer Unterschrift wird dann das Haus für die Besucher freigegeben.
Eiserne Vorhang: 16,8 Tonnen
Er wird auch kontrolliert, muss immer funktionieren und in Notfällen, etwa bei Ausbruch eines Feuers sofort gezogen werden, der Eiserne Vorhang mit einem stolzen Gewicht von knapp 17 Tonnen. Dieser ist ausgehend vom Ringtheaterbrand im Dezember 1881, wo Schätzungen zufolge rund 400 Menschen starben, nicht mehr wegzudenken. Beim Zünden der damaligen Gasbeleuchtung sprang ein Funken über und setzte einen Vorhang in Brand. Dieser breitete sich rasch auf den Zuschauerraum über.
„Der Techniker damals hat die Gasleitung sofort abgedreht, was zur Folge hatte, dass es dunkel wurde, die Leute fanden nicht mehr raus und zudem gingen die Türen nicht nach außen auf“, gibt der Zwettler Bühnenmeister Erzählungen wider. Um so eine Katastrophe zukünftig zu verhindern, gibt es den Eisernen Vorhang, der den Bühnenraum vom Zuschauerraum innerhalb von Sekunden trennen kann. Durch seine Beschaffenheit kann er Flammen in der Regel solange zurückhalten, bis die Leute aus dem Haus sind. Gerade bei Szenen mit offenem Feuer, Fackel oder Pyroeffekten sei das wichtig. Übrigens verfügt das Burgtheater auch über eine kleine betriebseigene Feuerwehr. Bei jeder Vorstellung muss zudem ein Arzt zugegen sein.
Wer schon einmal den großen Blasengel am Dach des Burgtheaters bewundert hat, auch dieser hat eine wichtige Funktion, er ist Teil des ausgeklügelten Belüftungssystems. Die verbrauchte Luft wird aus dem Zuschauerraum durch das Gitter des Kristalllusterkranzes im Zentrum der Saaldecke ins Freie abgezogen „und geht durch den Blasengel, der den Sog dafür erzeugt. wieder raus“.
Abenteuer, Hoppalas und Tiere
„Tiere auf der Bühne bedeuten immer eine Herausforderung, es reicht schon wenn wir Schafe und Hühner haben“, schmunzelt Christian Leitgeb. Ein Regisseur bestand mal darauf, ein Pferd alleine von der linken auf die rechte Bühnenseite laufen zu lassen. Dazu müsste dieses erst mal über den Lastenaufzug auf die Bühne kommen, eigene Korridore wären notwendig. Dennoch: „Keiner kann garantieren, was das Pferd wirklich macht, was wenn es sich schreckt und in den Zuschauerraum hüpft?“ Im Beisein eines Tierarztes und des Technischen Leiters wurde das dann abgelehnt. Eine eigene Schafrasse, die nicht (störend) blökt sowie spezielle russische Hühner haben es schon auf die Bühne der Burg geschafft.
Auch wenn man noch so bemüht ist, dann und wann lassen sich kleine Missgeschicke nicht vermeiden: So wie bei der Premiere eines Stückes, als der Vorhang runterfährt und an einem Haus im Bühnenbild plötzlich nicht mehr vorbeikommt. „Es sollte sich eigentlich knapp ausgehen, das hat ja bei den Proben gut geklappt.“ Die Rechnung wurde allerdings ohne die Thermik gemacht, durch diese wurde der Vorhang etwas nach hinten gedrückt, immerhin waren an dem Abend über 1000 Leute im Zuschauerraum.
Faszination Burgtheater
„Das Haus ist riesengroß, es passiert auch mir nach 25 Jahren noch, das man sich verläuft und die Orientierung verliert oder das man plötzlich in Gängen steht, die man noch gar nicht kennt“, so Christian Leitgeb. Das Burgtheater zählt zu einem der größten Schauspielhäuser Europas und „ist im deutschsprachigen Raum vom Stellenwert her mit Abstand die Nummer eins, das sieht man auch an den Schauspielern, die hier engagiert sind“. Der Zwettler hatte das Glück, Gusti Wolf oder Fritz Muliar noch erleben zu können. „Mit Nici habe ich Fußball gespielt“, und meint damit Nicholas Ofczarek, der auf der Burg ganz jung anfing und eine steile Karriere hinlegte. Zur Faszination und dem Mythos Burgtheater trägt auch die reiche Geschichte des Hauses bei, ist Leitgeb überzeugt.
Auch nach 25 Jahren noch immer ein ganz besonders magischer Moment für den Zwettler: Das Ziehen des Eisernen Vorhanges. „Die über 1000 Zuschauer haben kurz vorher den Raum verlassen haben und du bist der Letzte auf der Bühne. Dann setze ich den Eisernen Vorhang und das war es für heute“, beschreibt der Bühnenmeister den Zauber seines persönlichen Schlussaktes.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden