Hermine Hackl: "Wir sind definitiv am Weg in ein Holzzeitalter"
SCHLOSS WALDREICHS. Von wegen langweilig - das Thema ist nicht nur pulsierend, es birgt irrsinnig viel Potential für unser Waldviertel und wird in 100 Jahren noch interessant sein, ist Hermine Hackl überzeugt. Für sie ein aufgelegter Elfer, in einer Region, die sich sogar danach nennen darf. Die Rede ist vom Tausendsassa Wald. Spannende Projekte in allen Bereichen stehen in den Startlöchern, Ideen gibt es ohne Ende. Tips hat mit „Waldfrau“ Hermine Hackl, der „Zuagroastn“, die spürbar viel Liebe und Begeisterung für die Region mitbringt, geplaudert.
„Das Thema Wald verfolgt mich regelrecht, ich brauche nichts zu tun, es fliegt mir zu, wie eine Fügung“, lacht Hermine Hackl, Generalsekretärin der Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP). Schon seit jeher kam die gebürtige Steirerin mit einer Vielzahl an Organisationen in Berührung, die in irgendeiner Form mit Wald zu tun hatten. „Zudem hat mich das Schicksal in das Waldviertel gelotst, wo ich mit einem Forstwirt verheiratet bin, der noch dazu Hackl (Anm.: ursprüngliches forstliches Instrument) heißt.“
Wald ist viel mehr als nur die natürliche Gegebenheit, die vor unserer Haustür vorzufinden ist. Er ist „Lebensgrundlage, wichtiger Wirtschaftsfaktor und hält die Lösung für sehr viele Probleme unserer Gesellschaft bereit“, ob das nun beispielsweise in der Energie- oder Gesundheitsfrage sei. So lasse das Waldreichtum eines Landes auf so manches rückschließen. Dort stimme noch sehr vieles, dort denke man im besten Sinne des Wortes nachhaltig. Und genau jener Begriff der ursprünglich aus der Forstwirtschaft, bedeutet soviel: „Ich muss heute so wirtschaften, dass auch die nachfolgenden Generationen noch etwas davon haben. In dem Sinne darf ich zwar Bäume für meinen Hausbau fällen, jedoch nicht verwüsten oder gar gierig werden.“ Würde man dieses Denken auf alle Gesellschaftsbereiche übertragen, wäre schon sehr viel geschafft, meint Hackl. Viel Wald bedeute zusammengefasst, unsere Welt ist ökologisch auf einem guten Weg.
Der Wald als die Chance
Das Thema ist im bewussten Aufwind, dafür sorgten nicht zuletzt der Österreichische Waldgipfel Ende Februar in Ottenschlag, die dreiteilige Veranstaltungsreihe des Wirtschaftsforum Waldviertel oder der „Tag des Waldes“, der heuer vom Verein zur Förderung des Waldes in Martinsberg abgehalten wurde. Hermine Hackl, bei allen involviert beziehungsweise zugegen, hat den Eindruck, dass der Wald im Waldviertel nun endlich angekommen sei.
„Wenn sich nicht wir, das Waldviertel, um den Wald annehmen, dann macht es wer anderer.“ Hermine Hackl
Viele Zusammenkünfte, Arbeitsgruppentreffen und Workshops später, stehen nun konkrete Projekte in den Startlöchern. So wird es ab September zwei Neue Mittelschulen mit Holzschwerpunkt geben, und zwar in Martinsberg und Rappottenstein. Dadurch sollen die Jugendlichen nicht nur für das Thema sensibilisiert sondern eventuell auch in weiterer Folge dazu motiviert werden, einen einschlägigen Beruf zu ergreifen. Im Naturpark, dem Stift Geras zugehörend, wird in naher Zukunft ein Waldgesundheitslehrpfad etabliert. Weiters ist ein kleines Feriendorf aus Holz zur touristischen Nutzung am Dobrastausee angedacht.
Bewusstseinsbildung
Seitens der Kooperationsplattform FHP unternahm man jüngst mit einer Delegation von Waldviertler Bürgermeistern einen Ausflug nach Graz, wo man am Weg zur klimafitten Stadt ist. „Dort gibt es sensationelle Holzbauten im öffentlichen Raum, egal ob dies Schulen, Kindergärten oder Altenheime sind“, erklärte Hackl. Und die dortige spürbare Begeisterung für Holz war ansteckend, „der Funke sprang über, die Resonanz der Bürgermeister war, dass man vermehrt auf die Holzbauweise im öffentlichen Raum zurückzugreifen möchte“, fasst die 54-Jährige zusammen.
Was viele nicht wissen: Im Forstamt Ottenschlag gibt es seit 52 Jahren einen europäischen Stammzahlhaltungsversuch und dieser veranschaulicht die Bedeutung einer guten Waldpflege auf dern ersten Blick. Damals wurde eine Fläche innerhalb von wenigen Tagen angelegt und in acht Teile unterteilt. Ein Flecken wird perfekt gepflegt, in einem wird der Wald sich selbst überlassen, dazwischen finden sich alle Abstufungen. „Wir wollen Interessierte busweise hierher bringen und ihnen veranschaulichen, was gute Waldpflege bedeutet und wie wichtig es gerade in Zeiten wie diese ist, den Wald klimafit zu machen.“ In dem Zusammenhang soll das Waldviertel eine Modellregion für Holzmobilisierung unter dem Aspekt der nachhaltigen Forstwirtschaft werden. „Es wird teilweise zu wenig Holz rausgeholt, das geht sogar so weit, dass es bedeutende Industriebetriebe gibt, die androhen, in andere Länder auszuwandern, weil sie hier zu wenig Holz bekommen.“ Dabei sei man weit davon entfernt, auch nur den Zuwachs abzuschöpfen, auch wenn man in der Gesellschaft oft entgegengesetzter Meinung sei.
Kompetenzzentrum für Wald
Viele weitere Ideen und Vorschläge werden gerade in den verschiedensten Arbeitsgruppen diskutiert. Damit man all diese auffangen, konkretisieren und umsetzen könne, brauche es einen eigenen Ort im Waldviertel, ein Kompetenzzentrum, ist Hackl überzeugt. „Das was mir vorschwebt, ist ein Zentrum, wo man der nicht-wissenschaftlichen, nicht-forstlichen Öffentlichkeit eine Plattform bietet.“ In diesem Zusammenhang wurde an das Schloss Ottenschlag gedacht, dessen zukünftige Nutzung derzeit noch unklar sei. „Das wäre das Investment für die Region“, so Hackl. Ein Impulsgeber und ein Ort, wo alles zusammenfließt. Und ginge es nach EU-Abgeordneten Elisabeth Köstinger, solle in Ottenschlag nicht nur ein Österreichisches sondern ein Europäisches Waldzentrum entstehen.
Wald auf Krankenschein
Visionen rund um den Wald gibt es noch genug, ob kulinarischer, technischer, sportlicher oder touristischer Natur oder auch im künstlerischen Bereich. Großes Potential ist jedenfalls im Gesundheitssektor vorhanden. In Japan bieten eigene Kliniken Waldspaziergänge als besondere Therapieform an.
Auch an der Ostseeküste Deutschlands setzt man nicht nur auf Erholung im Strand, sondern auch im Wald. Wie Auszüge aus wissenschaftlichen Studien belegen, senkt sich beispielsweise der Blutzuckerspiegel bei Waldaufenthalten, das Stresshormon wie auch der Blutdruck werden reguliert und die Zahl der Herzschläge pro Minute nimmt ab.
„Den Wald auf Krankenschein hielte ich für eine tolle Sache. Warum nicht die etablierten Gesundheitseinrichtungen in der Region mit diesem Aspekt aufladen“, schwärmt die Generalsekretärin. Denn Prävention könne auch ohne Medikamente stattfinden. In Kärnten werde das schon in die Tat umgesetzt. In unserer Region wird gerade der neue Ausbildungszweig der Wald-Therapeuten diskutiert.
Wie man sieht: „Der Wald ist für alle da, für die Einmannbetriebe genauso wie für die Großen. Zudem haben wir die ganze Palette an Themen, es ist heute wie auch in 100 Jahren ein absolutes Zukunftsthema“, freut sich Hackl. Das weltweit einzige Waldviertel hat seinen Schatz unmittelbar vor der Haustüre: Wald in Hülle und Fülle, tolle Forstgüter und riesige Kompetenzen vor Ort - all das in Wert gesetzt, würde die Region unglaublich vorantreiben, ist Hackl überzeugt.
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