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Gesetzesentwurf für Technische Uni in Linz erntet scharfe Kritik

Jürgen Affenzeller, 18.05.2022 13:33

LINZ. Nach dem Ablauf der Begutachtungsfrist für das Gründungsgesetz zur neuen Linzer Technischen Universität prasselte viel Kritik, vor allem aus der Wissenschaft, hervor. Wirtschaft und Politik sprechen zwar zwar nach wie vor von einer „Jahrhundertchance“ für den Standort Oberösterreich, immer öfter werden aber die transparente Einbindung einer breiten wissenschaftlichen und unternehmerischen Öffentlichkeit und Nachschärfungen bei der Gründungsphase gefordert.

Die neue TU wird am Campus der Johannes-Kepler-Universität errichtet. (Foto: JKU (Querkraft / bagienski))
Die neue TU wird am Campus der Johannes-Kepler-Universität errichtet. (Foto: JKU (Querkraft / bagienski))

JKU-Rektor Meinhard Lukas hielt zuletzt „Nachschärfungen“ für nötig und will durch das enge Zeitkorsett auch nicht, dass man „in die Gründung der Technischen Universität hineinstolpert.“ Nachsatz: „Ich will, dass das, was schon vorhanden ist, nicht beschädigt oder nur dupliziert wird, wie etwa der Bereich der Informatik an der JKU.“

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Als „skandalös und zweckwidrig“ bezeichnet die Universitätenkonferenz (uniko die Finanzierung der Gründungsphase der Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transformation in Linz.

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Betriebsrat: „Konzept untauglich“

Verheerend fällt auch die Stellungnahme des Betriebsrats für das wissenschaftliche Personal der JKU, die 328 Mitarbeiter unterzeichnet haben. Man sei „grundsätzlich bestürzt, dass es auf Basis des vorliegenden Konzeptpapiers überhaupt zu einem Gesetzesentwurf kommen konnte“, heißt es darin.

Und weiter: „Digitalisierung und die Digitale Transformation sind keine eigenständigen wissenschaftlichen Fächer. Demnach ist eine rein auf dieses Thema fokussierte Universität entweder eine substanzlose Hülle oder eine Duplizierung von bestehenden Teilkompetenzen der JKU, aber auch anderer Universitäten“, wobei das vorgelegte Konzept der ersten Variante zuzurechnen und „somit insbesondere keine Technische Universität“ sei. Das Konzept sei „untauglich“.

Luger: „Bekenntnis zur Freiheit der Forschung und Lehre fehlt“

Die Entwicklung der Technischen Universität für Digitale Transformation beschäftigt am 24. Mai auch den Linzer Gemeinderat: Dort soll ein Bekenntnis zu einem gesamtheitlichen Standort-Entwicklungskonzept und zur Gleichbehandlung von Studierenden zur Abstimmung gelangen.

Insbesondere fehlen im grundsätzlichen Konzept der neuen TU für Digitalisierung das Bekenntnis zur umfassenden Freiheit von Forschung und Lehre auch bei privatwirtschaftlich finanzierten Projekten und Aufträgen sowie eine differenzierte Darstellung der konkreten fachlichen Ausrichtung konkreter Studienrichtungen. Daher stellt der Linzer Bürgermeister Klaus Luger eine Resolution an das Bildungsministerium, welche der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung beschließen soll.

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FPÖ-Raml: „Nicht stur an den Kurz`schen Plänen festhalten“

Der Linzer FPÖ-Obmann und Gesundheitsstadtrat Michael Raml hält an seiner Skepsis fest, die er bereits bei der überraschenden Verkündung der TU geäußert hat: „Die nunmehrigen zahllosen negativen Stellungnahmen aus der Wissenschaft bekräftigen meine Position. Ich bin davon überzeugt, dass die Verantwortlichen mit so breiten und berechtigten Einwänden nicht gerechnet haben. Der Bildungsminister muss diese Kritiken ernst nehmen und darf nicht stur an den Kurz‘schen Plänen festhalten.“ 

Reichen Budgetmittel aus?

Raml betont: „Grundsätzlich sind Investitionen in die universitäre Bildung, Forschung und Lehre sowie den Hochschulstandort Oberösterreich als Ganzes natürlich zu begrüßen. Man muss dabei aber mit Vernunft und Weitblick vorgehen. Die geplanten Budgetmittel, die noch dazu in anderen universitären Bereichen fehlen werden, wären deutlich zu wenig, um im internationalen Vergleich bestehen oder gar eine Vorreiterrolle einnehmen zu können. Technische Top-Universitäten wie die TU München oder die RWTH Aachen haben pro Jahr eine Milliarde Euro und mehr zur Verfügung, da sind wir weit davon entfernt. Anspruch und Wirklichkeit werden weit auseinanderliegen!“

WKOÖ-Präsidentin Hummer: „Zusammenarbeit nicht Abgehobenheit“

Kein Verständnis für die jüngste Kritik an der in der Gründung befindlichen neuen Technischen Universität (TU) in Linz hat WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer. Besonders der Vorwurf, die Universität sei zu nahe an der Wirtschaft orientiert, löst bei Hummer Kopfschütteln aus. „Die Wissenschaft hat doch den Menschen und deren alltäglichen Problemen und Fragestellungen zu dienen und das Leben grundsätzlich zu verbessern. Insofern ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – also den Anliegen und Fragen der Betriebe, ihrer Beschäftigten und ihrer Kunden – ganz entscheidend!“ Aus Sicht der WKO Oberösterreich ist es geradezu kontraproduktiv, eine solche Zusammenarbeit, die sich in allen erfolgreichen Staaten der Erde – etwa auch bei unseren Schweizer Nachbarn – bestens bewährt, in Frage zu stellen. Die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft muss vielmehr nach Kräften gefördert werden, da sie eine unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Standorts Oberösterreich ist. 

„Gehen wir also beherzt und durchdacht an die Sache heran! Wenn in der neuen TU ausgetretene Pfade verlassen und neue Formen des praxisorientierten Lernens und Experimentierens erprobt werden, die sich von herkömmlichen universitären Lehrplänen unterscheiden, dann ist das doch zu begrüßen“, so Doris Hummer. „Dass dabei die wissenschaftliche Basis und Qualität stets sichergestellt sein müssen, versteht sich natürlich von selbst. Oberösterreichs Wirtschaft freut sich auf ihren neuen wissenschaftlichen Partner und kann gemeinsam mit der neuen TU ihre gute Position im Bereich digitaler Kompetenzen und digitaler Transformation festigen und ausbauen. 

NEOS OÖ: „TU als Konfettikanone für den Landtagswahlkampf erfunden“

„Wenn Landeshauptmann Thomas Stelzer schon die konstruktive Kritik der Opposition nicht zum Nachdenken bewegt, dann sollte es wenigstens die Kritik des Senats und des Betriebsrats für das wissenschaftliches Personal der JKU, der uniko und der ÖH tun. Anstatt gemeinsam und planvoll an einem TU-Vorzeigeplan für unseren Standort zu arbeiten, haben Kurz und Stelzer das Projekt TU als Konfettikanone für den Landtagswahlkampf erfunden. So beginnt kein professioneller, erfolgversprechender Prozess für die Gründung einer international wirksamen Spitzenuniversität“, sagt NEOS-Klubobmann Felix Eypeltauer zum heutigen Ende der Begutachtungsfrist zur gesetzlichen Grundlage für die neue Technische Universität in Linz. Die TU sei eine Chance für den Standort und müsse von Bund und Land auch endlich als solche angegangen werden, fordern die NEOS.  

Die Begutachtungen würden aber zeigen, dass „das vielmehr eine klassische Anlasspolitik im Hinterzimmer war, die bis heute intransparent bleibt und wesentliche Expert_innen und Stakeholder bewusst ausgrenzt. Dabei bräuchte es eine transparente Einbindung einer breiten wissenschaftlichen und unternehmerischen Öffentlichkeit. Mit diesem provinziellen Getue gefährden Bundesregierung und Landeshauptmann den Erfolg des gesamten Projekts. Nun, da klar ist, dass das Land direkt mitfinanzieren wird, muss der Landeshauptmann auch mit der Geheimniskrämerei dem Landtag gegenüber aufhören und Transparenz sicherstellen.“ Er bezieht sich dabei auch auf die mündliche Anfragebeantwortung des Landeshauptmanns in der letzten Landtagssitzung am Donnerstag, in der Stelzer nicht beantworten wollte, wie viel das Land zur geplanten TU dazuzahlen soll.

IV OÖ: „Schulterschluss für TU Linz notwendig“

Die IV OÖ befürwortet ausdrücklich den vorliegenden Gesetzesentwurf. Digitale Kompetenzen sind ein entscheidender Schlüssel zur Lösung vielfältiger globaler Herausforderungen und Problemstellungen, wie beispielsweise bei den Themen Mobilität und Produktion der Zukunft, Klimaschutz, Medizintechnik oder bei der Transformation des Energiesystems. „Besonders zukunftsträchtig sind in diesem Zusammenhang generalistische, disziplinenübergreifende Kompetenzen und ein Gesamtprozessverständnis, um die immer komplexeren Aufgabenstellungen gesamthaft bearbeiten zu können“, erklärt Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). „Dazu wird die neue Technische Universität in Linz im bestehenden universitären Ökosystem einen neuen und außergewöhnlich wertvollen Beitrag leisten können und neue Wege in Lehre, Forschung und Wissenstransfer in Österreich ermöglichen.“

Gerade der Mangel an MINT-Fachkräften gilt seit Jahren als die größte Herausforderung der heimischen und im Besonderen der oberösterreichischen Industrie. Dieser wird nicht zuletzt aufgrund der demographischen Entwicklung auch weiter zunehmen. Mittlerweile haben beispielsweise mehr als 80 Prozent der Betriebe Probleme, offene MINT-Stellen zu besetzen. Dieser ausgeprägte Mangel an MINT-Fachkräften stellt ein Strukturproblem für den Standort und folglich für den Wohlstand im Land dar.

„Wer an der TU Linz studiert, wird daher nicht zum klassischen Mathematiker, Informatiker oder Mechatroniker ausgebildet, sondern zum Generalisten, der Prozesse ‚end to end‘ denken und konzipieren kann, basierend auf einem gesamtheitlichen Verständnis der digitalen Techniken. So wie ein Architekt nicht zum Mathematiker, Physiker, Bauingenieur, Raumplaner oder Künstler und Designer ausgebildet wird. Diese Kompetenzen sind auch in der OÖ. Industrie intensiv gefragt“, betont Haindl-Grutsch.


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