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Künstliche Intelligenz: Die Welt blickt nach Linz

Tips Logo Leserartikel Katharina Kühn, 02.10.2024 08:00

Sepp Hochreiter lehrt und forscht seit 2006 an der Johannes Kepler Universität Linz. Der gebürtige Bayer ist Direktor des Instituts für Maschinelles Lernen sowie des Linz Institute of Technology AI Lab und gilt als einer der Pioniere der künstlichen Intelligenz. Tips hat mit ihm über aktuelle Forschungen und Chancen in diesem Bereich gesprochen.

Sepp Hochreiter ist ein international renommierter Experte für das Thema Künstliche Intelligenz. (Foto: NXAI)
Sepp Hochreiter ist ein international renommierter Experte für das Thema Künstliche Intelligenz. (Foto: NXAI)

Tips: Was sind die aktuell spannendsten Forschungsprojekte, die Sie und Ihr Team verfolgen?

Hochreiter: : Mit Extended Long Term Short Memory (xLTSM) haben wir eine eigene Architektur entwickelt, die schneller, effizienter und auch besser arbeitet als viele vergleichbare Modelle am Markt. Unser Ansatz liest ein Buch wie ein Mensch. Die Transformer-Technologie, die auch bei ChatGPT zum Einsatz kommt, funktioniert anders.

Die Welt schaut gerade nach Linz. Denn alle bahnbrechenden Technologien haben klein angefangen - von der Dampfmaschine bis zum Haber-Bosch-Verfahren, mit dem Kunstdünger entwickelt wurde, der es erstmals ermöglichte, Lebensmittel im großen Stil zu produzieren, was zur Zentralisierung des Lebens in den Städten führte. Es beginnt immer mit der Grundlagenforschung, dann skalieren Unternehmen oder Forscher - in unserem Fall mit dem Bau großer Modelle - und das führt zur Industrialisierung der neuen Technologie. So ist es jetzt bei der Künstlichen Intelligenz (KI). KI ist richtungsweisend für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft.

Tips: Welche Bedeutung hat Oberösterreich als Forschungsstandort?

Hochreiter: Die JKU Linz ist mittlerweile einer der KI-Leuchttürme in Europa. Wir sind Teil des internationalen Netzwerks ELLIS. Dort tauschen wir uns mit Spitzenforschern aus Oxford, Cambridge oder Zürich aus. Dazu kommen Domänenexperten etwa von der Berliner Charité oder von Konzernen wie AstraZeneca. Jeder ELLIS-Partner forscht auf seinem Spezialgebiet. Stößt er dabei auf Schwierigkeiten, kann er auf das Wissen und die Erfahrung vieler Experten zurückgreifen. Durch dieses Netzwerk sind wir auf Augenhöhe mit anderen internationalen Standorten und können sehr gute Absolventen und PhDs ausbilden. Das ist ein Schub für den Forschungsstandort Linz. Denn KI-Talente sind rar in Europa und sollten am besten in Linz bleiben (lacht).

Tips: Wie entwickeln sich aktuell die Studierendenzahlen?

Hochreiter: Das KI-Studium gibt es nun seit einigen Jahren an der JKU Linz und die Universitätsleitung hat das Thema sehr schnell für Linz entdeckt und stark gefördert. Mittlerweile ist es nach JUS das zweitgrößte Studium. Die Anfängerzahlen haben sich verdoppelt. Im Jahr 2023 haben sich rund 450 Studienanfänger für das Bachelorstudium eingeschrieben. Für dieses Jahr liegen noch keine konkreten Zahlen vor, aber es sieht nach einer weiteren Steigerung aus. Unser guter Ruf zieht Studierende aus der ganzen Welt an. Die große Zahl der Studierenden ist für uns als Hochschulteam aber auch eine Herausforderung. Wo früher 20 Leute in einer Vorlesung saßen, sind es heute manchmal 800. Manchmal werden die Hörsäle schon zu klein, deshalb sind die Hauptvorlesungen auch immer online verfügbar. Auch die Betreuung von Praktika oder Bachelorarbeiten wird schwieriger. Das sind die bekannten Wachstumsschmerzen eines Studiengangs. Ich muss aber auch sagen, dass gerade in der Studieneingangsphase viele wieder abbrechen, weil sie doch andere Vorstellungen hatten. Wenn der Zuspruch weiterhin so groß bleibt, müssen wir vielleicht über einen Aufnahmetest nachdenken. Wir sind jedenfalls sehr stolz, dass wir so erfolgreich sind und viele gute KI-Forscher ausbilden.

Tips: Welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz für die Weiterentwickung der heimischen Wirtschaft?

Hochreiter: Mit KI werden zum Beispiel Simulationen im industriellen Bereich möglich, die mit herkömmlichen numerischen Rechenverfahren enorm lange dauern würden. Große Unternehmen kommen auf uns zu, um etwa Prozesse in Hochöfen zu simulieren oder medizinische Simulationen in der Medikamentenentwicklung mit uns durchführen wollen. Die Unternehmen arbeiten effizienter, sparen Kosten oder entwickeln mit der KI ganz neue Produkte.

Aber es gibt auch andere Bereiche, in denen KI eingesetzt werden kann. Wir haben hydrologische Modelle entwickelt, die mithilfe von KI Hochwasser vorhersagen können. Die Modelle lernen aus Daten wie Niederschlag, Bodenbeschaffenheit, unterirdischen Höhlensystemen, Gletschern, Flussverläufen, der Landschaft und vielem mehr. Google war hier Partner der JKU und hat das Linzer Modell in eine App integriert. Auch die kanadische Regierung verwendet unseren Ansatz.

Tips: Was sind Ihre Empfehlungen, um den Standort im Bereich Künstliche Intelligenz und Machine Learning weiter zu stärken und international wettbewerbsfähig zu bleiben?

Hochreiter: Simulationen brauchen viel Rechenleistung und damit Geld. Mit NXAI haben wir gemeinsam mit Investoren ein Unternehmen in Linz gegründet. Solche Investitionen geben mir Hoffnung für die technologische Weiterentwicklung. KI entwickelt sich rasant. Es wäre wichtig, die Unternehmen stärker mit der universitären Ebene zu vernetzen. In Helsinki und vor allem in Amsterdam funktioniert dieser Austausch bereits sehr gut. In Linz ziehen wir jetzt nach. Von der Politik gibt es Signale, dass die KI-Forschung weiter gefördert wird. KI spielt in Oberösterreich schon jetzt eine wichtige Rolle und wird noch an Bedeutung gewinnen.


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