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Hattmannsdorfer im Interview: „Die Leute haben das Hickhack, das Gegeneinander total satt“

Tips Logo Karin Seyringer, 22.03.2025 16:49

Ö/LINZ. Der neue Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) spricht im Tips-Interview über die Notwendigkeit, sich auf die Stärken Österreichs zurückzubesinnen. Zur Bildungskarenz in der bisherigen Form sagt der Linzer: „Für leistungsfeindliche Maßnahmen haben wir kein Geld“.

Minister Wolfgang Hattmannsdorfer zu Gast bei Tips in Linz. (Foto: BMAW/ Enzo Holey)
Minister Wolfgang Hattmannsdorfer zu Gast bei Tips in Linz. (Foto: BMAW/ Enzo Holey)

Tips: Herr Minister, haben Sie sich schon eingelebt in Wien?

Hattmannsdorfer (schmunzelt): Nein, es ist noch alles mit viel Respekt, mit viel Demut, aber auch Freude verbunden. Die Leidenschaft ist zu 100 Prozent da, aber natürlich heißt es jetzt, mich schrittweise einzuarbeiten.

Tips: Und wie gestalten Sie ihr Familienleben?

Hattmannsdorfer: Unter der Woche bin ich in Wien, am Wochenende, sofern keine anderen Termine sind, in Oberösterreich. Nachdem man als Minister auch viel unterwegs ist, schaue ich, wenn man einen Bundeslandtag hat, dass man dann auch von Linz aus fahren kann. Mein Lebensmittelpunkt und meine Familie bleibt in Oberösterreich. Und ich bleibe auch mit voller Leidenschaft und Herzblut Oberösterreicher. Es ist eh gut, wenn es in Wien auch ein paar Leute aus den Bundesländern gibt (lacht).

Tips: Stichwort Standortsicherung, Wettbewerbsfähigkeit: Sie haben herausfordernde Ressorts, stehen vor Herkules-Aufgaben.

Hattmannsdorfer: Ja, wir haben ein großes Standort-Ressort geschaffen mit Wirtschaft, mit Energie, den Staatsbeteiligungen. Ich glaube, es ist auch die richtige Antwort, dass das Thema Standort- und Wirtschaftspolitik oberste Priorität der Bundesregierung ist, weil die Schlüsselfrage für uns ist: Wie können wir Jobs halten, wie können wir sicherstellen, dass es gute Einkommen gibt. Wie können wir den Wohlstand erhalten. Comeback-Leistung und Wettbewerb als das zentrale Ziel der Bundesregierung.

Tips:Angekündigt ist ja schon ein Unterstützungspaket für Klein- und Mittelbetriebe. Gibt es schon konkrete Maßnahmen für die Industrie? Nach der ersten Regierungsklausur wurde eine Industriestrategie angekündigt.

Hattmannsdorfer: Ich bin ein Fan von einer Just-Do-It-Mentalität. Aktive Wirtschaftspolitik bedeutet, umsetzen, umsetzen, umsetzen. Ich habe gleich beim ersten Ministerrat gestartet mit einem eigenen Mittelstandspaket. Abschaffung der NoVA auf Klein-LKWs, Aus für das Ausdrucken von Belegen unter 35 Euro, und vor allem die Verdopplung der Pauschalierungsgrenzen. Generell ist mein Grundsatz: weniger Bürokratie, schlanker Staat, der Wirtschaft wieder mehr Luft zum Atmen geben. Schritt für Schritt: für den Mittelstand erfolgt quasi fast im Wochentakt eine Maßnahme. Das sind die kurzfristigen Maßnahmen.

Mittel- und langfristig bereiten wir zwei Dinge vor: Das eine ist die Industriestrategie, ein klares Bekenntnis, dass wir die schleichende Deindustrialisierung Österreichs stoppen wollen. Das Zweite ist ein Leistungspaket, Entlastung für die Fleißigen: Dieses Jahr steuerfreie Mitarbeiterprämie, nächstes Jahr kommen Steueranreize für Leute, die bereit sind übers Pensionsantrittsalter hinaus zu arbeiten und übernächstes Jahr Anreize für Überstunden und Zuschläge. Wir sagen klar: Wir belohnen die Fleißigen, es muss sich auszahlen, mehr zu tun. Klarer Plan, klare Strategie, schrittweise Umsetzung.

Tips: Mit welchen Maßnahmen können Strom und Gas bzw. die Energiepreise wieder sinken?

Hattmannsdorfer: Wir verabschieden bis zum Sommer zwei zentrale Gesetze: Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wo wir ordentlich aufs Gas drücken beim Ausbau von erneuerbarer Energie, vor allem durch eine massive Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Und das zweite Gesetz ist das Elektrizitätswirtschaftsgesetz, wo es darum geht, dass wir insbesondere die Netzkostengestaltung erneuern, damit wir spürbare Entlastung schaffen. Für armutsbetroffene Haushalte soll es auch einen Sozialtarif geben.

Tips: Der, der das Netz mehr nutzt, soll mehr bezahlen?

Hattmannsdorfer: Derzeit zahlen die Netzkosten ausschließlich jene, die Energie entnehmen. Unser Netz steht aber vor einer massiven Überlastung und Belastung, weil immer mehr Leute in die Netze einspeisen. Es ist auch eine Frage der Solidarität, dass auch jene, die ins Netz einspeisen, an den Netzkosten beteiligt werden. Nur so können wir den notwendigen Ausbau finanzieren und nur so können wir garantieren, dass uns die Netzkosten nicht davon galoppieren. Das heißt, es geht um eine verursachergerechtere Finanzierung.

Es geht auch um flexible Netztarife: Dass wir Anreize schaffen, das Netz eher zu nutzen, wenn nicht gerade Spitzenauslastung ist. Und es geht um technische Vorkehrungen, wie die sogenannte Spitzenkappung.

Tips: Was kann eine Privatperson machen, um die Stromkosten zu senken?

Hattmannsdorfer: Regelmäßig bei der E-Control nachschauen, wie die Stromtarife sind. Das ist die wirksamste und schnellste Möglichkeit: Sich regelmäßig - so ähnlich, wie wenn ich im Supermarkt-Prospekt nach Angeboten schaue – informieren und Anbieter wechseln. Das Prospekt des Strompreises gibt es jeden Tag bei der E-Control. Mehr Bewusstsein haben, dass man durch aktive Stromanbieterwechsel auch massiv Geld sparen kann.

„Wir müssen uns wieder auf unsere Stärken besinnen“

Tips: Kurzfristige, langfristige Maßnahmen: Wann rechnen Sie denn damit, dass die Maßnahmen auch Wirkung zeigen?

Hattmannsdorfer: Es hat weder der Wirtschaftsminister einen Knopf, wo er draufdrücken kann, es hat auch nicht der Energieminister den Knopf wo er draufdrücken kann und morgen gebe es dann günstige Energiepreise. Was wir jetzt brauchen ist eine Politik, die einen ganz klaren Plan hat und Maßnahmen einleitet, die auch wirken. Wir machen beides: Sofortmaßnahmen, wie eben das Mittelstandspaket. Das kommt sofort und unmittelbar in der Wirtschaft, bei den Betrieben an und schafft damit Arbeitsplätze. Aber wir müssen langfristig daran arbeiten, dass Österreich wieder wettbewerbsfähig wird. Sechs von zehn Euro verdienen wir im Export. Nur mit einer klaren Wettbewerbsorientierung, mit einer klaren internationalen Ausrichtung, können wir den Wohlstand halten.

Wir müssen uns wieder auf unsere Stärken besinnen, auf den Fleiß, auf den Erfindergeist und auf die Internationalität. Und wenn wir auch eine Politik machen, die sich klar zu diesen Stärken bekennt, dann kann Österreich auch wieder vorne mitspielen. Mit einer All-Inclusive Einstellung werden wir den Wohlstand nicht halten können.

Und wir müssen politisch zusammenhalten, auch das, glaube ich, macht die Regierung vor. Die Leute haben das Hickhack, das Streiten, das Gegeneinander total satt und es braucht wieder mehr Miteinander.

Tips: Die Situation am Arbeitsmarkt ist aktuell zwar herausfordernd, großes Thema ist aber der Fachkräftemangel …

Hattmannsdorfer: Der demografische Wandel ist die Schicksalsfrage für unsere Gesellschaft, aber vor allem für den Arbeitsmarkt. Wenn jetzt die Babyboomer in Pension gehen, 1,4 Millionen Leute, und es kommen nur 900.000 Junge nach am Arbeitsmarkt, dann haben wir ein Problem. Deswegen müssen wir schauen, dass wir aus dem Teilzeitmodus rauskommen. Wie machen wir das? Leistungsanreize, steuerfreie Überstundenprämie, Anreize fürs Arbeiten im Alter und Anreize für Überstunden.

Zweitens: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Zuwanderungspolitik. Wir müssen weg von der Zuwanderung ins Sozialsystem. Ich möchte nicht mehr, dass wir eine Zuwanderung haben von Leuten, die nur wegen dem Sozialsystem kommen. In Oberösterreich als Integrations-Landesrat habe ich diesen Weg eingeschlagen und den werde ich jetzt auch auf Bundesebene umsetzen: Keine Zuwanderung ins Sozialsystem, sondern wir wollen Leute, die arbeiten gehen, ihr Geld verdienen und sich integrieren. Dann sind sie gerne willkommen. Es gibt ein Aufstiegsversprechen in Österreich, wenn jemand leistet, Geld verdient und sich integriert.

Tips: Wenn wir über Teilzeit reden, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Thema.

Hattmannsdorfer: Es gibt ein massives Bekenntnis im Regierungsprogramm zum Ausbau der Kinderbetreuung. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wirtschaftspolitisch eine ganz wichtige Maßnahme. Da müssen wir vor allem am Land die Gemeinden unterstützen, damit es auch leistbare Kinderbetreuungsangebote gibt.

„Für leistungsfeindliche Maßnahmen haben wir kein Geld“

Tips: Die Bildungskarenz kommt mit Anfang 2026 klar reformiert zurück. Gibt’s schon Details zur Ausgestaltung?

Hattmannsdorfer: Erste Maßnahme im Nationalrat war die Abschaffung der Bildungskarenz. Wir brauchen Modelle, die anreizen zur Qualifizierung. Die Bildungskarenz war aber immer mehr ein Auszeitmodell und daher leistungsfeindlich. Und für leistungsfeindliche Maßnahmen haben wir kein Geld. Wir werden zeitnah ein neues Modell vorlegen.

Tips: Welche Rolle spielt Europa für den Wohlstand in Österreich?

Hattmannsdorfer: Österreich hat nur eine Chance mit einer ganz klaren pro-europäischen Ausrichtung. Gerade als kleines Land, das vom internationalen Handel lebt, brauchen wir starke und gute Beziehungen in die Welt. Deswegen ist es gut, dass es jetzt eine Bundesregierung gibt mit einer klar pro-europäischen Ausrichtung, mit einer klaren Ausrichtung Richtung Westen und nicht nach Osten. Nur so können wir uns am Weltmarkt behaupten.

Klar ist aber: Auch Europa hat sich zu verändern, Reformen zu machen. Wir müssen auch runter mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung, weil wenn mir ein oberösterreichischer Industriebetrieb erzählt, dass er 70 Mitarbeiter für die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes braucht, dann bringt es der Umwelt nichts, sondern vernichtet nur Geld und auch Papier.

„Ja zu Umweltschutz, Nein zu Umweltaktionismus“

Tips: Der Umweltschutz bleibt trotzdem nicht auf der Strecke?

Hattmannsdorfer: Es gibt von mir ein ganz klares Bekenntnis zum Umweltschutz, aber ein ganz ein klares Nein zum Umweltaktionismus. Der Nachhaltigkeitsbericht, der 70 Mitarbeiter braucht, bringt der Umwelt gar nichts, vertreibt aber den Betrieb aus Europa. Ich möchte, dass wir eine Energiepolitik machen, die auf die Umwelt schaut, aber auch die Preise und die Versorgungssicherheit im Blick hat.

Tips: Es hat vor kurzem auch einen Austausch zu Wirtschaft und Tourismus mit chinesischen Vertretern gegeben. Kann China vor allem in Zeiten von Trump und Putin wirtschaftlicher Rettungsanker sein?

Hattmannsdorfer: China ist für uns ganz entscheidend als Handelspartner. Die Rolle Chinas hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Früher war China auf der Welt rein der Einkäufer, jetzt wird China immer mehr der Verkäufer. Mir ist wichtig, dass wir auch chinesische Investitionen nach Österreich bekommen, Arbeitsplätze schaffen. Und das geht nur mit einer guten Beziehung.

Tips: Online-Billig-Anbieter wie Temu und Shein fluten den europäischen Markt, geht es nach Ihnen: Soll eingegriffen werden?

Hattmannsdorfer: Wir müssen uns aus zutiefst eigenem Interesse - was den Verbraucherschutz, die Gesundheit, die Umwelt und auch Jobs betrifft - schützen vor Billigimporten aus Asien. Deswegen werden wir dafür eintreten, dass die Zollfreigrenze abgeschafft wird.

Tips: Thema Vertrauen in die Politik, auch die ÖVP musste kräftig Stimmen einbüßen: Wie kann das Vertrauen der Wähler wiedergewonnen werden?

Hattmannsdorfer: Probleme unmissverständlich und offen ansprechen, zweitens einen klaren Gestaltungsanspruch an den Tag legen und drittens Brücken bauen und eine Politik des Miteinanders zu machen. Und wenn Politik so wahrnehmbar ist, dass sie ehrlich ist, sagt was Sache ist, mit offenem Visier unterwegs ist, dass sie einen klaren Gestaltungsanspruch hat und auch bereit ist zu verändern und über die Parteigrenzen zusammenarbeitet und das Hickhack einstellt, dann wird es auch wieder Vertrauen in die Politik geben.

Tips: Was ist ihre persönliche Zielsetzung? Was wollen Sie in den ersten 100 Tagen im neuen Amt erreicht haben?

Hattmannsdorfer: Dass wir erste Maßnahmen des Regierungsprogramms bereits umgesetzt haben, und dass wir einen klaren Fokus auch auf das Thema Wohlstand, Leistung und Wettbewerb legen: Dass wir ein gemeinsames Bewusstsein schaffen, dass es ohne Fleiß, ohne Erfindergeist, ohne Innovation und Internationalisierung keinen Wohlstand geben kann. Und wenn wir das schaffen, dann werden wir auch die großen Herausforderungen schaffen.

Tips: Was motiviert Sie persönlich, sich in der Bundespolitik zu engagieren?

Hattmannsdorfer: Die Möglichkeit zu haben, auch eigene wirtschaftspolitische Vorstellungen umzusetzen, dieses Comeback von Leistung und Wettbewerb auch selbst voranzutreiben. Und dass es endlich wieder Politik gibt, die sich nicht mit Nebenschauplätzen aufhält, sondern die entscheidenden Fragen beantwortet: die Frage der Wirtschaftspolitik und wie wir Arbeitsplätze sichern können.

Tips: Herr Minister, danke für das Gespräch.


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