„Als Frau muss man sich in einer Führungsfunktion positionieren“
BRAUNAU. Corinna Hirzinger ist sich als Ärztliche Direktorin des Braunauer Krankenhauses der Verantwortung, die man in Führungspositionen hat, mehr als bewusst. Drei zusätzliche Studien schloss sie neben ihrer Arbeit als Ärztin in den letzten Jahren ab. Anderen Frauen, die eine Führungsrolle anstreben, rät sie, gezielt zu reflektieren.

In der achten Klasse stand Corinna Hirzinger vor einem Scheideweg. Ihre zwei Wunsch-Studiengänge: Management und Medizin. Für beide bestand sie die Aufnahmeprüfung. Die Wahl fiel schließlich auf den Beruf der Ärztin.
Sie studierte in Salzburg und arbeitete danach unter anderem im Salzburger Landesklinikum und im Unfallkrankenhaus Salzburg. Sie machte zwei Facharztausbildungen: Kinder- und Jugendchirurgie sowie Orthopädie und Traumatologie. Ab 2020 begann sie, in Braunau zu arbeiten. „Meine Kollegen haben mir Braunau empfohlen, unter anderem wegen des wertschätzenden Umgangs und der Qualität der Ausbildung im Krankenhaus“, erzählt die gebürtige Linzerin.
Eigentlich plante sie, nach einer gewissen Zeit wieder nach Salzburg zurückzukehren. „Ich hatte dort schon eine fixe Stelle. Ich beschloss aber, noch ein Jahr in Braunau zu verlängern.“ Kurz davor wurde eine offene Stelle in der Ärztlichen Direktion ausgeschrieben.
Obwohl sie dieser Posten interessierte, machte sich Hirzinger die Entscheidung, sich zu bewerben, nicht leicht. „Ich habe lange überlegt. Damals war ich erst 36 Jahre alt. Auch der Gedanke, dass es als Frau schwieriger sein könnte, schwang mit.“ Sie nahm ein Coaching in Anspruch, reflektierte für sich, ob sie für den Job als Ärztliche Direktorin geeignet sein könnte – und wagte den Schritt.
Drei Zusatz-Studien
Zuvor hatte sie berufsbegleitend Betriebswirtschaft studiert und 2021 den Master in den USA abgeschlossen. Das kam ihr nun zugute. 2014 hatte sie zudem in molekularer Medizin promoviert. Mit dem neuen Aufgabengebiet entschloss sie sich, zusätzlich Medizinrecht an der JKU in Linz zu studieren. Im August schloss sie diese Ausbildung ab – und hatte somit 15 Jahre durchgehend berufsbegleitend studiert.
In ihrer Position fällt viel Arbeit an. Das zu bewältigen, ist für sie aber eine Selbstverständlichkeit. Morgens ist sie schon sehr früh im Büro. „Hier kann ich fokussiert arbeiten, ohne von Anrufen unterbrochen zu werden. Zeitplanung ist das A und O.“
Besonders die Vielfalt schätzt Hirzinger an ihrer aktuellen Tätigkeit. Die Zusammenarbeit mit verschiedensten Berufsgruppen ist ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit. „Es ist notwendig, nicht nur die eigene Gruppe im Blick zu haben“.
Geduld zu bewahren ist eine der Herausforderungen. „Gewisse Entscheidungen dauern dem persönlichen Empfinden nach zu lange. Ein Widerspruch dazu ist die Tatsache, dass alles sehr schnelllebig ist.“
Wertschätzung im Fokus
In den vergangenen Jahren vollzog sich ihrer Meinung nach bei vielen ein Umdenken. „In meiner persönlichen Wahrnehmung ist das ,Wir̕ und die Zivilcourage etwas verloren gegangen. Das sieht man auch im allgemeinen Weltgeschehen – nach dem Motto: Jeder ist sich selbst der Nächste.“ Im Braunauer Krankenhaus sei das glücklicherweise nicht der Fall. Wertschätzung und Zusammenarbeit werden hier noch gelebt. Neben ihrer Arbeit als Ärztliche Direktorin ist Hirzinger in der Orthopädie und Traumatologie tätig. „Ich darf in einem sehr tollen Team mitarbeiten, welches mich auch unterstützt.“
Ihr Ziel ist es, die Qualität des Krankenhauses zu erhalten und wenn möglich zu verbessern. „Das Krankenhaus ist ein wichtiger Versorger im Bezirk und das soll so bleiben.“ Dazu brauche es ein gutes Team, interprofessionelle Zusammenarbeit und Akzeptanz. „Ich möchte, dass die Mitarbeiter im Braunauer Krankenhaus gerne zur Arbeit gehen und diese nicht als Belastung empfinden.“
Sport als Ausgleich
Sport ist für die Ärztin ein wichtiger Ausgleich. So kann sie eine Karriere als Snowboarderin und Fußballerin vorweisen. Sie spielte etwa beim englischen Spitzenclub Queens Park Rangers. In der Freizeit stehen zudem ausgedehnte Bergtouren auf dem Programm. „Da kommen mir oft Ideen für Lösungen.“ Als weitere Inspiration dienen der Krankenhausleiterin zwei große Frauen: Ruth Bader Ginsburg und Jacinda Ardern. Bader Ginsburg war in den USA die zweite Frau am Obersten Gerichtshof. „Sie hat einen eindrucksvollen Werdegang und ist sich stets treu geblieben.“ Ardern, die ehemalige Premierministerin Neuseelands, inspiriert ebenfalls durch ihre Persönlichkeit.
Nach wie vor Vorurteile
Beide mussten Geschlechterstereotype überwinden. Diese sind Hirzinger zufolge noch immer in vielen Köpfen verankert – gerade was Führungskräfte betrifft. „Frauen werden indirekt häufiger in Frage gestellt. Als Frau muss man sich in einer Führungsfunktion positionieren. Man muss resoluter und resilienter sein.“ Auch, dass Frauen in Führungspositionen oft nicht sichtbar sind und dass es für sie nur wenige Netzwerke gibt, auf die sie zurückgreifen können, kritisiert Hirzinger.
Im Krankenhaus geht sie nicht gezielt auf Frauen zu, sondern nimmt bewusst eine neutrale Rolle ein. „Ich möchte nicht, dass Rollen wegen eines Geschlechts vergeben werden und Menschen in Rollen gedrängt werden.“ Entscheidend seien die Qualifikation, eine gelungene Zusammenarbeit und dass man mit der Funktion umgehen kann.
In Bezug auf ihre eigene Führungsposition setzt Hirzinger auf Reflexion – und empfiehlt das auch anderen, die eine solche Position anstreben. Dazu nimmt sie jetzt noch regelmäßig Coachings in Anspruch. „Reflexion ist das Um und Auf. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, was die Führungsrolle mit sich bringt.“ Sie ist davon überzeugt: „Man muss sich in einer solchen Rolle immer weiterentwickeln. Das ist man seinen Mitarbeitern schuldig.“
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