Donnerstag 17. April 2025
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WALDBURG. Durch Ausgangsbeschränkungen fehlten Kunden. Ohne Kunden fehlt Kommunikation. Wie eine Nahversorgerin ihren Alltag an die Corona-Krise angepasst hat. Eine Reportage von Rainer Manzenreiter.

Auch wenn die schlimmste Krisenzeit vorerst überwunden ist, liefert die Nahversorgerin Renate Wiesinger aus Waldburg weiterhin aus. Im Geschäft gibt es schon ab halb sieben Uhr morgens frisches Brot und Gebäck. Foto: Manzenreiter

Es ist ein gewöhnungsbedürftiger Anblick, die so vertraute Nahversorgerin in Maske zu sehen. Die Plauderei, die es normalerweise gratis zum Einkauf gibt, fällt weg. Die Unsicherheit über die derzeitige Situation ist zu groß. Alle, die bei ihr einkaufen, sind es gewohnt, sich über aktuelle Neuigkeiten aus dem Dorf zu informieren.

Leben hat sich verändert

Nicht nur große Supermärkte und Kaufhausketten wurden zu Beginn der Corona-Krise mit einer noch nie dagewesenen Situation und den damit verbundenen Änderungen konfrontiert, auch das Leben am Land hat sich verändert. Ganz besonders das Leben der Renate Wiesinger. Aufgewachsen in Waldburg, springt Renate vor 32 Jahren ins kalte Wasser und übernimmt das Kaufhaus Wiesinger als selbstständige Nahversorgerin. Der Adeg ist der Ort, Notwendiges einzukaufen und zusammenzukommen. Unter einem gelungenen Tag versteht Renate, „wenn es allen meiner Kunden gut geht und es keine gröberen Vorkommnisse gibt“. Das gröbere Vorkommnis hieß Corona und nicht allen Kunden ging es gut.

Lieferdienst ins Leben gerufen

In dieser Situation beschließt Renate Wiesinger einen Lieferdienst anzubieten: „Ich habe sofort über sämtliche Medien mein Angebot verschickt, damit auch ich zur Sicherheit unserer Kunden beitragen kann.“ Zum Putzen, Desinfizieren und Einsortieren der Waren kommt nun das Ausliefern der Bestellungen zur täglichen Arbeit. Nach den ersten Lieferungen fällt ihr auf, dass der Hunger nach Begegnung fast größer ist als der Hunger auf Nahrung selbst. Personenkontakt sollte vermieden werden – es gab Wurst ohne Worte. Ausgangsbeschränkung heißt Verlust des regelmäßigen Zusammenkommens, der täglichen Plauderei am Marktplatz, des gemeinsamen Nachmittagskaffees und vor allem der sozialen Kontakte. „Besonders in einem kleinen Ort wie Waldburg, wo sich jeder kennt, ist der regelmäßige Austausch untereinander sehr wichtig“, verrät die Nahversorgerin.

Erfreuliche Einkaufstrends

Nicht nur die Kunden vermissen den sozialen Kontakt, Renate, die es gewohnt war, ständig jemanden um sich zu haben, erkennt ihr menschenleeres Geschäft kaum wieder. Am Einkaufsverhalten der Kunden hat Renate Erfreuliches beobachten können: Produkte von Bauern aus der Region sind plötzlich vermehrt auf den Einkaufslisten der Kunden zu finden. In Zeiten wie diesen hätten Leute mehr Zeit, um zu kochen und eigenes Brot zu backen. Besonders schön sei es, in Ruhe mit der Familie beim täglichen Essen zusammen zu sein, erzählt Renate aus eigener Erfahrung: „Man merkt auch, dass sich die Menschen durch den Einkauf von Waren von Bauern aus der Nähe gegenseitig helfen wollen.“ Sie hofft, dass diese schwere Zeit das Miteinander und Zusammensein in der Zukunft stärkt.

Dankbare Kunden

In der Osterzeit erfreute sich Renate neben einem Umsatz, wie er sonst nur zu Weihnachten erzielt wird, vieler Geschenke der dankbaren Kunden: „Ich konnte mich vor Blumen, Keksen und Osterlämmchen kaum retten.“ Wenn Renate auf die vergangenen Monate zurückblickt, sieht sie viel Arbeit. Ihr Blick fällt auf die dankbaren Kunden, denen sie auch weiterhin, falls notwendig, Lieferungen zustellt.

Rainer Manzenreiter aus Waldburg hat diese Reportage im Rahmen seiner Journalismus-Ausbildung an der Katholischen Medien Akademie Wien (KMA) verfasst.


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