Weder Mönch noch Mann: Christine Simbrunner über ihre Pionierrolle
WILHERING. Mit Christine Simbrunner wurde am Stiftsgymnasium Wilhering eine jahrhundertealte Tradition gebrochen: „Ich war nicht nur die erste weibliche, sondern auch die erste weltliche Direktorin“, sagt die 60-Jährige. Zur Pensionierung blickte Simbrunner gemeinsam mit Tips auf ihre Karriere zurück.

Tips:Sie waren die erste weibliche Leiterin am SG Wilhering...
Simbrunner: Diese Pionierrolle bedeutete eine große Verantwortung und zugleich die Chance, neue Perspektiven in die Schulleitung einzubringen: 120 Jahre lang waren Mönche des Stiftes Direktoren. Daher galt es für mich, eine neue Kultur zu schaffen und eine gute Kooperation mit dem Schulerhalter aufzubauen. Es brauchte eine neue Vorgangsweise für Finanzen, Bauprojekte, Schulentwicklung sowie einen guten Infofluss zum Stift und gleichzeitig klare Rollen.
Tips:Was haben Sie anders gemacht als ihre Vorgänger?
Simbrunner: Zuallererst bin ich kein Mönch und auch kein Theologe, da hat man sicherlich einen anderen Managementstil. Ganz prinzipiell denke ich, dass unabhängig vom Geschlecht jeder Direktor seine eigene, einzigartige Handschrift in die Schulführung einbringt. Ich komme aus dem Teamsport (Basketball und Handball), daher war es mir sehr wichtig, viel in Teams zu arbeiten. Schule funktioniert nur in Kooperation mit Eltern, Lehrern und Schülern, denn „mit einer Hand lässt sich kein Knoten knüpfen“.
Tips:Wie sind Sie Leiterin des Stiftsgymnasiums geworden?
Simbrunner: Ich war seit 1986 als Lehrerin tätig und ab 1991 in Wilhering. Durch meine Unterrichtsarbeit sowie meine Erfahrung als Universitätsassistentin für Sportpädagogik, meine Ausbildung als Mediatorin und meine Leitungstätigkeit im Beratungszentrum der Pädagogischen Hochschule konnte ich vielfältige Kompetenzen aufbauen. Diese Erfahrungen haben mich auf die Leitung einer Schule vorbereitet. Zudem bin ich Mutter zweier Söhne, dieser Blick auf Schule war für mich in all meinem Tun eine bereichernde Perspektive.
Tips:Wenn Sie auf ihre Zeit als Direktorin zurückblicken, worauf sind Sie besonders stolz?
Simbrunner: Natürlich auf die baulichen Projekte: etwa den Zeichen- und Naturwissenschaften-Trakt, den Ausbau des Konferenzzimmers. Pädagogisch besonders bedeutsam sind die MINA (Nachmittagsbetreuung), das WILLI-Kurssystem (Wahlpflichtfächer) sowie die neuen Oberstufenzweige VIA und VOX. Außerdem bin ich stolz darauf, wie sich die Schüler in all der Zeit eingebracht haben. Etwa bei der Gestaltung der Freiluftklasse oder beim Festrede-Bewerb. Und auch darauf, wie wir gemeinsam Corona bewältigt haben.
Tips:Wie viel Diversität erlaubt eine traditionell katholisch geprägte Schule wie das SG Wilhering?
Simbrunner: Es ist das Allerwichtigste, die Schüler individuell zu fördern. Deswegen zielen die bereits genannten Schulentwicklungsprojekte darauf ab, der Vielfalt an Persönlichkeiten und Talenten gerecht zu werden. Was die soziale und religiöse Vielfalt betrifft, so gibt es in Wilhering ein buntes Schulbild, was Religion, Herkunft und gesellschaftlichen Hintergrund betrifft. Wenngleich wir natürlich mit unserem ländlichen Einzugsgebiet nach wie vor viele Schüler christlicher Bekenntnisse haben.
Tips:Wie hat sich Schule in den letzten zehn Jahren verändert?
Simbrunner: Das Schulleben hat sich mit dem vermehrten Einsatz digitaler Technologien grundlegend gewandelt. Moderne Lernmittel, flexible Unterrichtsmodelle und Projektarbeit haben den Schulalltag interaktiver und dynamischer gestaltet. Besonders bedeutsam sehe ich, wie sich Didaktik in Richtung forschendes Lernen und innovatives Problemlösen weiterentwickelt. Das fördert wichtige Kompetenzen für die Beantwortung von komplexen Fragen in einer sich ständig verändernden Welt. Herausfordernd ist der Umgang mit Künstlicher Intelligenz, das wird noch ein großes Aufgabenfeld für die Bildung.
Tips:In welchen Bereichen hätten Sie gerne mehr bewegt?
Simbrunner: Beim Abbau der Bürokratie und des Berichtswesens hätte ich gerne mehr geschafft. Offen ist derzeit auch noch der Umgang mit Handys, Social Media, KI & Co. Man wird hier gut auf die Kinder schauen und sich fragen müssen, wo der Mensch im Digitalen bleibt. Bildung braucht Veränderung im digitalen Zeitalter.
Tips:Was sind in der heutigen Zeit die größten Herausforderungen, wenn man eine Schule leitet?
Simbrunner: Ich würde sagen, die Fülle der Aufgaben. Als Schulleiterin ist man „vom Klopapier bis zur psychischen Krise“ für (fast) alles zuständig. Es braucht viel Zeit, wenn man Zeit für die Menschen haben will. Herausfordernd kann auch sein, eine gute Kooperationsbasis mit Lehrern, Eltern und Schülern zu schaffen. Last but not least gilt es, auf die psychische Gesundheit aller Beteiligten zu schauen.
Tips:Aus ihrer jahrelangen Erfahrung, halten Sie das österreichische Bildungssystem noch für zeitgemäß?
Simbrunner: Nun, ich denke, in vielen Bereichen wird sehr gut gearbeitet und fundierte Allgemeinbildung vermittelt. Es bräuchte jedoch aus meiner Sicht sicherlich mehr Unterstützungspersonal. „Kommunikation und Soziales Lernen“ sollte ein Pflichtfach werden. Forschendes Lernen, vernetztes Denken und innovatives Problemlösen müsste noch mehr im Fokus stehen.
Tips:Was würde die junge Christine Simbrunner sagen, wenn sie von Ihrem Werdegang gewusst hätte?
Simbrunner: Die junge Christine wäre wohl überrascht, aber auch begeistert, dass meine Leidenschaft für Bildung und Menschen mich in eine Führungsrolle an einer traditionsreichen Schule gebracht hat. Sie würde sich darüber freuen, dass ich in meinem Leben dazu beitragen konnte, junge Menschen in ihrer Entwicklung und Entfaltung zu begleiten. Und sie würde sagen: „Mit jungen Menschen zu arbeiten ist einfach cool und egal wie alt man ist, kann man so viel von Schülern lernen! Ich habe den Eindruck, du warst gerne Lehrerin und Direktorin, das war das Richtige für dich…“
Tips:Was werden Sie an der Schule vermissen?
Simbrunner: Vor allem vermissen werde ich die Menschen. Wir haben am SG Wilhering ein tolles Team und großartige Schüler, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Vermissen werde ich all die Lebendigkeit, die Buntheit und die Tatsache, dass es nie langweilig ist. Gleichzeitig freue ich mich in meiner Pension auf ein neues Kapitel voller Freiräume. Aktuell freue ich mich ganz konkret darauf, meinen Rucksack zu packen und weitwandern zu gehen: mit offenen Sinnen für das, was kommt – ohne Drehbuch, ganz ohne Stundenplan.
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