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Froschbergblues statt Kaisermühlenblues: Wie sich ein Grätzel gegen ein Großprojekt stellt

Anna Fessler, 15.08.2023 18:44

LINZ. Gegen das Projekt „Froschberg 2.0“ hat sich erheblicher Widerstand formiert. Die alte Eisenbahnersiedlung, angrenzend an die Händelstraße, Brahmsstraße und Ziegeleistraße soll saniert und um mehrere Neubauten ergänzt werden. Die Initiative Froschberg kämpft dagegen an. Tips war zum Lokalaugenschein in der Siedlung aus den Dreißigerjahren und hat mit den Bewohnern gesprochen, die um den Verlust ihrer Lebensqualität fürchten.

  1 / 4   Mitglieder der Initiative Froschberg im Gemeinschaftsgarten. V.l.: Bernhard Essl, Margarethe Hochtöger, Erich Fröschl, Kurt Wöginger, Klaus Pilz und Carmen Pilz (Foto: Tips/Fessler)

Wie berichtet planen die Wohnungsgesellschaften EBS und WAG am Froschberg die Sanierung der alten Eisenbahnersiedlung, die 400 Wohnungen umfasst, sowie 350 neue Wohneinheiten. Ein Teil der neuen Wohnungen soll in Form von Aufstockungen und Dachausbauten entstehen, auch 400 neue Tiefgaragenplätze sind geplant. Die bestehenden Wohnungen sollen mit Balkonen und Aufzügen ausgestattet werden. Viel Lob für die Pläne der mia2 Architekten gab es vom Gestaltungsbeirat. Indes haben sich mehrere Bewohner der Ziegelei-, Brahms- und Händelstraße zur „Initiative Froschberg“ gegen das Projekt zusammengetan.

Tips hat acht von ihnen an einem sonnigen Nachmittag im idyllischen Kleingarten von Klaus und Carmen Pilz getroffen. Die beiden haben die Initiative Froschberg gegründet, 60 Haushalte haben sich ihnen angeschlossen, 350 Unterstützer haben unterschrieben. Die Mitglieder haben sich zudem juristischen Beistand bei der Mietervereinigung Oberösterreich geholt.

Informationsabende für Händel- Brahms- und Ziegeleistraße konnten Bedenken nicht ausräumen

Von dem Vorhaben habe man aus den Medien erfahren, sagt Klaus Pilz, mittlerweile haben EBS und WAG einen Infoabend für jede der drei Straßen abgehalten – mit überschaubarem Informationsgehalt, sind sich die anwesenden Mitglieder der Initiative einig. Auf die Frage, was sie am meisten an dem Projekt störe, nennen fast alle die Laubengänge, die künftig außen am Gebäude entlangführen sollen – weil es nicht für jeden Hauseingang einen eigenen Lift geben wird.

Angst um Zukunft der Grünflächen und Gärten

„Ich will nicht, dass mir beim Fenster wer vorbeirennt, da bleibt null Privatsphäre“, sagt Bernhard Essl. Er fürchtet zudem, seinen Blick ins Grüne zu verlieren und stattdessen auf eine Hausmauer schauen zu müssen. Immerhin sollen sechs neue Wohnbauten plus Erdgeschoßwohnungen auf dem Areal Platz finden. Sorge bereitet den Bewohnern neben der Zukunft der Grünflächen und alten Bäume auch jene der liebevoll gepflegten Gemeinschaftsgärten. In der Händelstraße sollen diese laut der Initiative Froschberg Müllstationen und Postkästen weichen.

Laut WAG/EBS sollen die Neubauten vorrangig auf bereits versiegelten Flächen gebaut werden, zwischen den bestehenden Häusern ist derzeit aber vor allem Grün zu sehen. „Ich denke mir jedes Mal, wenn ich zum Fenster rausschau ich bin am Land, ich seh‘ die Falken, die Eichkatzal, die Spechte“, sagt Aloisia Bürscher, die seit 30 Jahren in der Siedlung wohnt.

„Werden unsere Lebensqualität hier verlieren“

Erich Fröschl wohnt seit 45 Jahren am Froschberg, es gibt dort viele langjährige Bewohner, manche hätten geplant gehabt, ihren Lebensabend dort zu verbringen. “Ich habe mich immer gerühmt, in einer Gegend wohnen zu dürfen, die wirklich noch lebenswert war. Wenn ich mir dieses Projekt anschaue, werden wir unsere ganze Lebensqualität hier verlieren.“, ist Fröschl überzeugt.

Weitere Befürchtungen sind Lärm- und Staubbelastung durch die Bauarbeiten, eine Erhöhung der Betriebskosten oder dass das Projekt nach der Fertigstellung einem Finanzinvestor überlassen wird. Laut EBS/WAG sollen die Betriebskosten für alle Mieter durch die Neubauten „auf einem leistbaren Niveau“ gehalten werden, die Initiative Froschberg ist skeptisch: „Andere Genossenschaften wüssten auch gerne, wie das geht...“ Das Argument der Wohnungsgesellschaft, dass mit dem Projekt ein Abriss der Siedlung verhindert werden könne, bringt die Mitglieder der Initiative auf die Palme: nichts als Angstmacherei sei das.

„Es gibt den Kaisermühlenblues, aber es gibt auch den Froschbergblues“

Die größte Sorge von Carmen Pilz ist das künftige Zusammenleben mit den neuen Mietern. „Ich sage immer, es gibt den Kaisermühlenblues, aber es gibt auch den Froschbergblues, weil wir hier ein beschauliches Grätzel sind, das darf nicht verloren gehen.“ Ihren Mann Klaus Pilz stört vor allem die Vorgehensweise der Verantwortlichen: „Dass uns von oben etwas vorgesetzt wird, das ist im Jahr 2023 überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Genauso wenig zeitgemäß ist es, dass so über die Natur drübergefahren wird.“ Er sieht eine rote Linie überschritten und fordert eine Neukonzipierung des Projekts unter Einbeziehung der Siedlungsbewohner.

Von der Politik fühlen sich die Projekt-Gegner im Stich gelassen, einzig KPÖ-Gemeinderat Michael Schmida äußerte sich kritisch: „Niemand, auch nicht die Bewohnerinnen und Bewohner, ist gegen eine notwendige Sanierung der in die Jahre gekommenen Wohnbauten. Auch gegen eine Nachverdichtung durch Aufstockungen und Dachausbau ist nichts einzuwenden. Aber die Befürchtungen vieler um ihre günstigen Wohnungen und ein lebenswertes Umfeld mit lockerer Bebauung und viel Grünraum sind nicht von der Hand zu weisen. Die massive Verdichtung und eine neu zu errichtende Tiefgarage stellen Eingriffe auf Kosten der Lebensqualität dar.“

Wohnungsgesellschaften kündigen Informationsveranstaltung im Herbst an

Die EBS/WAG hat im Juli in einem Rundschreiben an die Bewohner, das Tips vorliegt, eine weitere Informationsveranstaltung für den Herbst angekündigt. Die vielen Ideen, Fragen und Anregungen seien gesammelt worden und würden derzeit in den Planungen bearbeitet. Die Initiative Froschberg wertet das als Teilerfolg und organisiert am 9. September einen Flohmarkt in der Pfarre St. Konrad, um ihre Anliegen noch bekannter zu machen. Und noch etwas habe die Initiative bewirkt, sagt Carmen Pilz: der gegenseitige Austausch und der Zusammenhalt im Grätzel sei dadurch stark wie nie zuvor.


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