Das Schicksal der jüdischen Familie Schirok aus Steyr
Am 9. November 2024 jährt sich zum 86. Mal die von den Nationalsozialisten so genannte „Reichskristallnacht“. Synagogen und andere Einrichtungen der jüdischen Bevölkerung wurden verwüstet und zerstört, Jüdinnen und Juden wurden verhaftet, misshandelt und ermordet. Die Historikerin Waltraud Neuhauser-Pfeiffer will mit dem Schicksal der Familie Schirok daran erinnern, wie auch in Steyr Juden und Jüdinnen aus ihrer Heimat vertrieben und viele von ihnen Opfer des Holocaust wurden.

Ludwig Schirok, geboren 1881 in Polen, übte das Gewerbe eines „Borstenzurichters“ in Steyr aus. Er heiratete in erster Ehe Elisabeth Hauer. Sie nahm sich im März 1913 das Leben. Noch im November desselben Jahres vermählte sich Ludwig Schirok mit Netty Zindorf, mit der er in der Fabrikstraße 14 einen Branntwein- und Gemischtwarenhandel betrieb. Ludwig Schirok war auch in der Israelitischen Kultusgemeinde in Steyr zeitweise als Vorstand-Stellvertreter und als Beirat tätig.
Allein in den ersten zwei Monaten nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland im März 1938 entzogen sich 218 Juden der staatlich sanktionierten und geförderten Grausamkeit durch Suizid. Eine davon war Netty Schirok. Der Angst vor der Verfolgung der Nazis nicht gewachsen, stürzte sich Netty nur einen Monat nach dem „Anschluss“, am 10. April 1938, in den Wehrgrabenkanal.
Als Jude gebrandmarkt, war Ludwig gezwungen, sein Haus, Fabrikstraße 14, das er mit seiner Frau Netty im Februar 1919 erworben hatte, zu verkaufen. Das Deutsche Reich und seine Finanzbehörden profitierten erheblich durch verschiedene Abgaben und die Verwertung konfiszierten Eigentums von Jüdinnen und Juden.
Schon Ende des Jahres 1938 musste Ludwig Schirok nach Wien übersiedeln, wo er mehrmals die Wohnadresse wechselte. Den Kindern aus der ersten und zweiten Ehe, Otto, Rosy und Greta gelang die Flucht nach Palästina, Großbritannien und in die USA.
In Wien ging Ludwig Schirok eine weitere Ehe mit Gisela, geb. Vogelhut, ein. Bevor die beiden deportiert wurden, ließ ihnen die Gestapo eine „Sondervollmacht“ unterzeichnen, mit der sie alle Rechte über ihr Restvermögen der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ übertrugen.
Ludwig und Gisela Schirok wurden am 3.12.1941 von Wien nach Riga in Polen deportiert und ermordet.
Seit Juni 2024 erinnern zwei „Stolpersteine“ an das Schicksal von Ludwig und Netty Schirok vor ihrem ehemaligen Wohnhaus, Fabrikstraße 14.
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