Chronik der Trostlosigkeit: Studie rollt Vergangenheit des Gleinker Kinderheimes auf
STEYR. Mit dem Anbringen einer Tafel noch im November erinnert die Caritas beim ehemaligen Jugendheim in Gleink der Gewalt an den „Schwererziehbaren“. Eine Studie mit 61 Interviews rollt die bedrückende Geschichte der Einrichtung in ihrer ganzen Dimension auf.

Mehr als 500 Seiten umfasst die Studie „Verantwortung und Aufarbeitung“ – für jedermann einsehbar auf www.caritas-linz.at. Sie beleuchtet die Vergangenheit von Caritas-Heimen in OÖ, das Kapitel Gleink zählt 190 Seiten. 2016 gab die Caritas OÖ einem unabhängigen Forscherteam den Auftrag, die Geschichte und Hintergründe der Gewalt in ihren Heimen aufzuarbeiten. „Wir wollen uns damit unserer Verantwortung stellen. Die Studie soll uns Mahnung für die Zukunft sein“, so Direktor Franz Kehrer.
Die Autoren Michael John, Marion Wisinger und Angela Wegscheider durchforsteten daraufhin nicht nur bündelweise Akten. Sie befragten zahlreiche ehemalige Heimkinder, Erzieher, Verantwortungsträger. Das Ausmaß der Problematik in Gleink ahnen lässt die Zahl jener Opfer, die sich im Laufe des letzten Jahrzehnts bei der diözesanen Ombudsstelle gemeldet haben: Von 334 Personen, die angaben, Gewalt in Einrichtungen der Caritas OÖ erfahren zu haben, waren 290 im ehemaligen Erziehungsheim Steyr-Gleink untergebracht. Die meisten der gemeldeten Vorfälle ereigneten sich bis Ende der achtziger Jahre.
Zucht und Züchtigung
Gegenstand der Studie im Fall Gleink bildet die Zeit 1946 bis zur Schließung des Heimes 2009. Über weite Strecken der 63 Jahre sollen Misshandlungen an der Tagesordnung gestanden haben. Von Schlägen auf den nackten Hintern, Hieben mit dem Schlüsselbund, Tritten, Haarereißen, sexueller Nötigung, stundenlangem Strafestehen im Nachthemd in der Eiseskälte und einigem mehr ist die Rede. 1949 wurden sechs Zöglinge wegen Erfrierungserscheinungen im Steyrer Spital behandelt.
Allgegenwärtiger Mangel
Ab 1950 bis 1989 leiteten die Herz-Jesu-Missionare die Erziehungsanstalt für die Caritas. Laut Studie beharre der Orden bis heute darauf, dass in Gleink stets nur schwerste Härtefälle untergebracht waren. Daten von 1955 weisen als häufigste Gründe hingegen Erziehungsschwierigkeiten und Verwahrlosung auf.
Nicht alle Erzieher sahen Gewalt als Weg, mit den Kindern umzugehen. Etliche Bedienstete litten unter den Zuständen im Haus. Der dauernde Wechsel innerhalb des chronisch unterbesetzten Personals und auch der Vorwurf des Alkoholismus unter den Erziehern spricht Bände. Weil ständig gespart werden musste, fehlte es vor allem in der Grundversorgung der Kinder massiv. „Ich meine, so verschmutzt und verschlampt waren die Kinder nicht einmal vor ihrer Einweisung“, hielt ein Erzieher in einem Bericht 1951 fest. Ab den sechziger Jahren war das Heim regelmäßig in den Medien. Jugendhilfe und -wohlfahrt schauten weg. Trotzdem Eltern wiederholt Alarm schlugen.
Versagen
Von „multifunktionalem Versagen“ der Verantwortlichen spricht Historikerin Marion Wisinger im Fall Gleink. Die für die Studie geführten Gespräche mit den Betroffenen seien von sichtbaren Emotionen begleitet gewesen, so der Bericht. Zahlreiche Zöglinge, die aus schwierigen Familienverhältnissen ins Heim kamen, konnten der Spirale der Gewalt und des Außenseitertums auch als Erwachsene nicht entfliehen. „Ich kam nie aus dem Heim heraus“, werden ehemalige Heimkinder zitiert.
Bei der Präsentation des Berichts in Linz betonte die Caritas OÖ die nötigen Konsequenzen aus den erschütternden Schilderungen: „Wir dürfen beim Thema Gewaltschutz niemals stehenbleiben“, so Kehrer, der ebenso wie Bischof Manfred Scheuer, als Repräsentant der katholischen Kirche, die Opfer um Verzeihung bat: „Auch wenn sich das Leid dadurch nicht mindern lässt.“
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26.12.2022 10:27
Schläge,mit den Haaren durch den Gang(15 meter)gezogen(mein
ich möchte dich Franz Pankratz ansprechen,wir waren zusammen in Gleink...........................ganz schlimm gewesen,ich hoffe es geht dir gut!!!
23.11.2019 08:56
Einblicke
Mit viel Enthusiasmus habe ich in meiner ersten Betreuungseinrichtung zu arbeiten begonnen. Fairplay, demokratische Grundeinstellung, Freude an der Arbeit und Liebe zu Kindern waren die Grundpfeiler. Ich dachte sehr naiv, dass im sozialen Bereich all das gefragt wäre, musste aber bald das Gegenteil feststellen. Beinharte Hirarchien, Gewalt, viele Betreuer oft auffälliger als die Kinder und Jugendlichen, die mich schätzten und gern hatten. Ich habe das Handtuch geworfen, weil ich gegen das starre System kaum Chancen hatte. Was mich freut ist, dass ich den mir anvertrauten Kindern viel Gutes tun und auf ihrem Weg mitgeben konnte. Obwohl schon lange weg, bekomme ich noch Nachrichten oder Weihnachtsgrüße.
11.07.2021 08:11
Getreten
Mit Hände und Füßen wurden wir geschlagen und getreten....de san de ärgsten.....
07.11.2019 07:32
Vergebung??
wenn ich das lese könnt ich kotzen ,,,,,,jahrelang haben wir uns beschwert ,,,kein Jugendamt kam da mal vorbei oder hat uns ernstgenommen ,,,und jetzt betteln sie um Vergebung,,,ja ist klar,,und wer gibt mir meine Kindheit bzw meine Jugend wieder??
06.06.2021 16:35
Vergebung?
Niemals diesen Heuchlern !