Erinnern gegen das Vergessen - berührende Ausstellungseröffnung in Wolfsegg
Wolfsegg. Im Schloss Wolfsegg fand am Freitag, dem 4. April um 19:00 Uhr die Eröffnung der Ausstellung „Erinnern gegen das Vergessen: Die Opfer des Nationalsozialismus aus Wolfsegg und Umgebung“ statt.

Diese Ausstellung wurde von der 18-jährigen Wolfseggerin Hanna Bauer initiiert, die damit ausgewählten Opfern des NS-Regimes eine Stimme gab – eine Stimme, die ihnen in der damaligen Zeit völlig aberkannt wurde. Fünfzehn mächtige Tafeln in der Orangerie erzählen von der unglaublichen Stärke einer Opfergruppe, die lieber in den Tod ging, als die eigene Überzeugung abzuschwören.
Über 190 Besucher erlebten nach der Begrüßung durch das Mauthausen Komitee eine berührende Ausstellungseröffnung mit der Maturantin Hanna Bauer. Schon als kleines Kind, so erzählte sie, lernte sie, alle Menschen gleich zu behandeln und dass jeder Mensch etwas Besonders ist. Bald setzt sie sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein, um zu mahnen, dass sich die Gräuel des Nationalsozialismus nie mehr wiederholen. Durch ihre vorwissenschaftliche Arbeit war es ihr möglich, sich noch genauer mit der Erinnerungskultur und der Gedenkarbeit auseinanderzusetzen.
Die Opfergruppe der Zeugen Jehovas wurde Hanna ein besonderes Anliegen. Und die Eröffnung am 4. April war kein Zufall. Denn genau vor 86 Jahren wurden 27 Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft am Tag ihres höchsten Feiertags, der Abendmahlsfeier Jesu Christi, verhaftet und in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Sie leisteten aus tiefster religiöser Überzeugung Widerstand gegen die NS-Diktatur, indem sie den Hitlergruß, den Wehrdienst und die Rüstungsproduktion verweigerten.
Im stilvollen Veranstaltungssaal herrschte absolute Stille, als anschließend der Schauspieler, Sänger und Regisseur Franz Froschauer mit seiner Frau Andrea Froschauer-Rumpl die Bühne betrat. Er liest mit seiner unverwechselbaren Stimme aus dem Buch „Werter Nachwuchs“ von Christine Nöstlinger. Der Brief „Lieber Sohn“ beschreibt das Unverständnis der Mutter, wie schnell die Stimmung damals kippen konnte. Froschauer liest: „Ich habe – seinerzeit – nicht verstanden, warum es eine Wirtschaftskrise gibt und eine Inflation. Ich habe darunter nur gelitten. Ich habe auch nicht verstanden, warum mein kleiner Bruder, der doch immer so ein netter und lieber Kerl gewesen ist, plötzlich mit einer SA-Uniform dahergekommen ist und vertrottelte Sprüche herumgebrüllt hat. Ich war nur traurig darüber. Ich habe nicht verstanden, warum sich Menschen, die den Ersten Weltkrieg erlebt haben, einen zweiten aufzwingen ließen. Ich habe nur auf Feldpostbriefe gewartet und gebetet, dass Dein Vater nicht für „Führer und Vaterland“ fallen möge. Ich habe nicht verstanden, warum unser Hausmeister, der Brunner, dem alten Herrn Fischl „Saujud“ auf die Auslage gepinselt hat, wo er sich doch ein Jahrzehnt vom Fischl die Anzüge hat schneidern lassen.“
Man hätte eine Stecknadel auf den Natursteinboden fallen hören können, als Franz Froschauer die letzten Zeilen ausdrucksstark und bedächtig las: „Es würde mich freuen, werter Herr Sohn, wenn du deine Zeit besser verstehen solltest als ich die meine… Drum sei so gut und kanzle mich nicht milde und von oben herab ab, sondern erklär mir halt die heutige Zeit. Und wenn“s geht, auch noch die gestrige dazu.“
Das Unverständnis der gestrigen und der heutigen Zeit wäre ein schrecklich idealer Nährboden für das Vergessen. Deshalb dürfen die damaligen Opfer nicht in Vergessenheit geraten, um eine Wiederholung dieser Grausamkeiten zu verunmöglichen, so der Tenor der verschiedenen Sprecher, zu denen auch Schriftsteller Ludwig Laher gehörte. Mit einer bezeichnenden Metapher appellierte der Hauptsprecher Laher, sich lieber zu erinnern, als Unangenehmes wegzuwischen, nur weil es viele als lästig befinden. Erinnerung sei ein Lebensmittel, das nicht allen schmeckt, aber unglaublich gesund ist.
Erinnern gegen das Vergessen. Das war auch ein Anliegen von Heidi Gsell, Mitglied des Vereins Lila Winkel, der Hanna Bauer tatkräftig bei der Umsetzung des Projekts unterstützte. Sie lernte Hubert Mattischek aus Ottnang am Hausruck 1997 in der Gedenkstätte Mauthausen anlässlich der Uraufführung des Videos Standhaft trotz Verfolgung kennen. Für Mattischek war dieser Tag ein besonderer, da man mit diesem Video, das Jehovas Zeugen produziert hatten, erstmals mit der NS-Geschichte der Glaubensgemeinschaft an die Öffentlichkeit ging. Eine der 15 Ausstellungstafeln erinnert an seinen Leidensweg und an seine Standhaftigkeit. Überhaupt ist Familie Mattischek ein wesentlicher Bestandteil der Ausstellung, denn gleich 5 Tafeln erzählen die Geschichte von Wolfgang, Theresia, Franz, Wilhelm und Hubert.
Die Ausstellungseröffnung endet so, wie sie begonnen hat. Mit einer emotionalen Hanna Bauer, die um Fassung ringt, als sie darauf hinweist, dass die Lebensgeschichten auf der Website www.erinnern-wolfsegg.at auch im Dialekt angehört werden können.
Die Ausstellung kann bis zum Ostersonntag, dem 20. April, besichtigt werden. An den Samstagen und Sonntagen (5.,6.,12.,13., 19. und 20. April) ist die Ausstellung von 15 bis 17 Uhr geöffnet.
Ort: Schloss Wolfsegg, Schlossberg 1, 4902 Wolfsegg am Hausruck
Außerdem kann gerne über die E-Mail-Adresse office@erinnern-wolfsegg.at ein Besuch außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten vereinbart werden.
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