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Zusammenleben in der Coronazeit: „Früher hat man nicht so viel geredt“

Online Redaktion, 28.04.2020 15:57

LINZ. Jugendliche, die in sozialpädagogischen Wohngruppen wohnen, haben oft nicht den besten Ruf. Doch auch sie versuchen nur ihren Alltag bestmöglich zu bewältigen – speziell in der Coronazeit.

Petra und Kerstin im Interview (Foto: Soziale Initiative)
Petra und Kerstin im Interview (Foto: Soziale Initiative)

Ihr unterliegt ja den gleichen Ausgangsbeschränkungen wie alle anderen auch. Beschreibt bitte mal, wie kann man sich die Situation jetzt in einer Wohngruppe (WG) vorstellen?

Petra: Wir spielen Spiele – auf der Wii oder so –, schauen fern und schlafen.

Kerstin: Es wird auch angeboten, dass man gemeinsam lernt. Und wir haben einige Brettspiele, die wir gern spielen. Dadurch haben sich eigentlich neue Kontakte in der WG gebildet.

Petra: Das ist voll cool. Also, bei einem Mädchen hatte ich mir zum Beispiel gedacht ‚Ich halt sie wirklich nicht aus.‘ Aber jetzt habe ich sie so richtig kennengelernt und es passt gut mit ihr.

Halten sich alle an die Ausgangsbeschränkungen?

Petra: Also, wir haben so eine Regelung. Grundsätzlich dürfen wir nur mit Betreuern rausgehen. Und zusätzlich eine halbe Stunde ohne Betreuer, zum Einkaufen. Alles mit Sicherheitsabstand, versteht sich. Am Anfang haben sich aber nicht alle daran gehalten. Manche Mädchen sind auch so rausgegangen, und haben sogar Leute reingeschmuggelt – was sie nicht dürfen und gar nicht geht.

Wie seid ihr damit umgegangen?

Petra: Das regt auf – wenn man sich denkt ‚Okay, wir halten uns an die Regeln, gehen extra nicht raus, damit wir den Virus nicht haben und auch niemanden anstecken.‘ Und dann schmuggelt ein Mädchen ihren Freund herein, der vielleicht mit vielen Leuten Kontakt hatte. Also, das regt schon auf. Und das habe ich den Betroffenen schon klar gesagt. Außerdem haben eh die Betreuer auch reagiert und die Regeln mit uns weiterentwickelt. Kerstin: Ich finde überhaupt, die Betreuer machen das gut. Sie schauen voll drauf, dass die Mädchen alles einhalten. Sie achten selber darauf, dass sie Abstand zu uns halten, dass es keinen körperlichen Kontakt gibt. Und sie helfen immer den Nachbarn, weil die sind ein bisschen älter. Da gehen sie immer einkaufen für die Nachbarn. Das find ich lieb.

Das heißt, ihr seid als WG auch mit den Nachbarn in Kontakt, da wird Nachbarschaftshilfe geleistet?

Kerstin: Ja, voll. Wir hätten uns da gerne auch eingeklinkt und den Nachbarn geholfen. Aber das geht nicht.

Was gelingt euch besonders gut?

Kerstin: Das Spielen, finde ich. Dass man da wieder eine Gemeinschaft hat. Das war eigentlich vorher nie so – und jetzt reden wir viel miteinander.

Petra: Ja, und in der WG wird jeden Tag gekocht. Es ist jetzt auch was anderes. Früher hat man nicht wirklich viel geredet, wenn man in die Küche gekommen ist, weil jede ihre eigenen Wege gegangen ist. Und es wird auch öfter gemeinsam gegessen, wo wirklich alle da sind. Wenn es einem zuviel wird, kann man sich ja ins eigene Zimmer zurückziehen.

Gibt es auch Dinge, die euch beschäftigen, die euch Sorgen bereiten?

Petra: Am meisten hab ich Angst davor, dass meine Mama sich mit dem Corona-Virus ansteckt. Zum Beispiel dadurch, dass ich zu ihr fahren würde, ich aber nichts davon weiß. Wenn ich das hab, ist es mir völlig egal. Hauptsache meiner Mama geht es gut.

Kerstin: Also, ich habe jetzt eigentlich überhaupt keinen Kontakt mit meinem Papa oder mit meiner Mama. Wir telefonieren halt. Drum kann ich sie auch nicht anstecken. Das würde mir sonst auch Sorgen bereiten, dass ich sie anstecke.

Wie glaubt Ihr denn, dass es weitergeht? Bzw., wie findet Ihr, dass es weitergehen sollte?

Petra: Es sollte langsam wieder vorbeigehen. Weil wenns wärmer ist, will man ja rausgehen.

Kerstin: Bei mir ist es so, dass ich bald wieder zu arbeiten beginnen sollte. Schauen wir mal. Ich weiß es grad nicht.

Petra: Ich sollte eigentlich eine Arbeit haben, aber wegen dem Coronavirus wurde alles abgesagt. Und ich werde bald mal 18 Jahre. Wenn ich keine Lehre hab, wird meine Unterstützung nicht verlängert. Wenn ich nicht verlängert werde, dann muss ich wieder zu meiner Mum ziehen und das will ich eigentlich nicht. Vor allem, weil ich in der WG bleiben will. Deswegen ist das halt noch ein bissi stressiger für mich.

Bist Du diesbezüglich mit Deiner Sozialarbeiterin in Kontakt? Kriegst Du da Informationen – oder wie ist das?

Petra: Ja, aber die hat´s auch zur Zeit stressig. Den Kontakt zu meiner Sozialarbeiterin machen die Betreuer.

Wie kommt Ihr zu den Informationen, die ihr braucht, für Euer Leben?

Petra: Internet.

Kerstin: Bei mir ist es halt so, dass ich voll viele E-Mails krieg von meiner Arbeit. Und die schreiben mir immer, wie´s weitergeht und so. Oder halt über Telefonate. Und von der WG werden wir gut informiert. Also bezüglich dem Virus – die schreiben voll viel. Und sie betonen, dass sie immer für Fragen bereit sind. Also, wenn wer Fragen hat, kann man voll gerne zu ihnen kommen. Also, das finde ich, passt gut.

Petra: Ja, voll. Ich finde aber, man solls auch nicht übertreiben. Weil, zum Beispiel wenn jedes Mal, wen man sich sieht, ist das erste Thema ´Corona´. Und das interessiert mich schön langsam nicht mehr. Deswegen labere ich auch gerne über andere Sachen.

Was möchtet Ihr den Lesern sonst noch mitteilen?

Kerstin: Ich finde es voll krass, dass die Leute – zum Beispiel in den Supermärkten, in den Krankenhäusern und so –, dass die sich so aufopfern. Weil die haben wirklich voll den Stress. Und das finde ich wirklich cool, dass sie das machen.

Petra: Ja, aber nicht nur Krankenhäuser oder in den Supermärkten. Alle einfach, die arbeiten müssen. Auch unsere Betreuer oder überhaupt die Betreuer der Sozialen Initiative. Die finde ich super. Weil ohne die Leute von der Sozialen Initiative hätte meine Mum nicht übersiedeln können. Das wurde ganz spontan organisiert.


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