Wenn Freundlichkeit zur Steuerfalle wird – Gastronomie bangt um die Trinkgelder
OÖ/LINZ-LAND. Trinkgeld ist eigentlich ein Zeichen der Wertschätzung für guten Service. Doch nun droht das zum steuerpflichtigen Risiko zu werden. In mehreren Bundesländern sorgt derzeit die Besteuerung von Trinkgeldern für massive Unruhe in der Gastronomie. Während in manchen Regionen großzügige Pauschalregelungen gelten, wurden andernorts zuletzt hohe Nachzahlungen gefordert. Gerold Royda, der oberösterreichische Wirtesprecher, fordert Rechtssicherheit. Gastronomen im Land sind verunsichert.

Die Gastronomie ist wieder einmal in Aufruhr – und das aus gutem Grund. Die Diskussion um eine mögliche strengere Besteuerung von Trinkgeldern sorgt bei Wirten und Arbeitnehmern für Kopfschütteln. Laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) seien Nachverrechnungen in Oberösterreich gar kein Thema – dort gäbe es schließlich eine fixe Trinkgeldpauschale. Doch Wirtesprecher Gerold Royda warnt vor einer bevorstehenden Entwicklung: „Derzeit gibt es in Oberösterreich keine Offenlegungspflicht. In anderen Bundesländern hingegen schon – dort müssen Betriebe bei einer Betriebsprüfung offenlegen, wie viel Trinkgeld über Kreditkartenzahlungen hereingekommen ist. Und das führt dann automatisch zur Besteuerung.“
Genau diese Offenlegungspflicht könnte auch bald Oberösterreich treffen. Royda erklärt: „Es geht die Angst um, dass diese Verpflichtung mit der neuen Regierung auch bei uns kommt. Deswegen sind wir jetzt Teil der Gespräche für eine gemeinsame Lösung.“ Der Wunsch der Branche: Rechtssicherheit und eine einheitliche, faire Regelung für ganz Österreich.
Roman Haidinger, Gastronom und Hotelier aus Oftering, spart im Gespräch mit Tips nicht mit klaren Worten: „Wieder trifft es die Gastronomie. Immer sind wir die Ersten, wenn es um neue Belastungen geht.“ Er erinnert an frühere Regelungen wie die Allergenverordnung oder das Registrierkassengesetz, bei denen die Branche ebenfalls stark in die Pflicht genommen wurde.
Freundlichkeit darf nicht bestraft werden
Für Haidinger ist Trinkgeld ein Zeichen von Anerkennung – und sollte es auch bleiben. „Ich kann doch keinen bestrafen, weil er freundlich ist und gutes Service liefert. Das ist doch absurd.“ Dass aktuell vereinzelt horrende Nachzahlungen gefordert werden – wie bei einem Gastronomen in Salzburg, der laut Haidinger bis zu 100.000 Euro zahlen soll – zeigt für ihn die Schieflage des Systems. Auch Royda bestätigt die Unsicherheit: „Ich bekomme täglich Anrufe von verunsicherten Betrieben. Noch ist es bei uns kein akutes Thema – aber die Leute sind nervös. Und das zu Recht.“
Für ihn ist klar: „Wenn der eine Betrieb in Oberösterreich sitzt und nichts zahlen muss, der andere in Salzburg aber plötzlich tausende Euro abführen soll – das wird er sich nicht gefallen lassen. Dann haben wir ein echtes Problem.“ Der Wirtesprecher bekräftigt: „Trinkgeld ist eine freiwillige Leistung des Gastes. Dass es jetzt plötzlich steuer- und sozialversicherungspflichtig sein soll, ist ein Wahnsinn.“ Er fordert klare Rechtssicherheit für die Betriebe – und für die Mitarbeitenden, die oft auf das zusätzliche Einkommen angewiesen sind.
Branche in der Defensive
In der Praxis sei die Angst vor Prüfungen inzwischen groß. Bei Kartenzahlungen ist das Trinkgeld oft nachvollziehbar – bei Barzahlungen bleibt es schwer überprüfbar. „Was kommt als Nächstes? Sollen wir am besten hinschreiben: Bitte kein Trinkgeld mehr?“, fragt Haidinger sarkastisch. Der Grundverdienst vieler Kellner liege oft bei nur 1.400 bis 1.500 Euro – ohne Trinkgeld kaum attraktiv. Die Branche kämpft seit Jahren mit einem Personalmangel. Eine zusätzliche Besteuerung könnte den Beruf noch unattraktiver machen, warnt Haidinger. „Gerade die jungen Leute sagen dann: Wozu soll ich mich anstrengen, wenn ich das, was ich extra bekomme, auch noch abgeben muss?“
Gewerkschaften und Politik in die Pflicht genommen
Besonders bitter ist für den Gastronomen das Gefühl fehlender Unterstützung von politischer Seite. Auch Royda sieht hier dringenden Handlungsbedarf. Zwar gebe es Gespräche mit der ÖGK und auf Bundesebene, doch konkrete Lösungen sind bislang nicht in Sicht. Der erste Schritt: Eine Lösung gemeinsam mit der ÖGK, dann muss die Politik liefern. „Es braucht eine politische Entscheidung“, sagt Royda. Und zwar bald. Dabei geht es längst um mehr als nur ein paar Euro extra: „Wenn der Staat jetzt auch noch das Trinkgeld will, dann ist das ein fatales Signal – für uns, für unsere Mitarbeiter und letztlich für die Gäste.“
Was jetzt passieren muss
Die Forderung der Branche ist klar: einheitliche, realistische und vor allem faire Regelungen. Trinkgeld müsse steuerfrei bleiben – aus Respekt vor dem Servicegedanken. „Es darf nicht sein, dass eine Geste der Wertschätzung zum Risiko für den Betrieb wird“, so Royda. Die Gastronomie wünscht sich endlich politische Rückendeckung – und nicht noch mehr Bürokratie. „Anstatt uns immer weiter zu belasten, sollte man sich lieber überlegen, wie man den Arbeitsmarkt attraktiver macht. Da gibt’s genug zu tun“, sagt Haidinger. Ein Appell, der in Zeiten von Arbeitskräftemangel und sinkender Motivation in der Branche nicht überhört werden sollte.
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