Verkehrsexperte: "Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten"
LINZ. Nach der erneuten Diskussion um eine autofreie Nibelungenbrücke und eine eigene Brücke für den Fuß- und Radverkehr hat die Stadt Linz eine Verkehrsflussanalyse in Auftrag gegeben. Ansetzen müsste man jedoch ganz woanders, meint Günter Emberger, Verkehrsexperte der TU Wien.

Mit der Freigabe der Westringbrücke für den Verkehr – laut Plan im Herbst 2024 – soll die Nibelungenbrücke beidseitige Zweirichtungsradwege bekommen. Die Stadt Linz hat, wie berichtet, gemeinsam mit dem Land Oberösterreich ein Übereinkommen geschlossen: Mittels verkehrstechnischer Untersuchung sollen die Verkehrsflüsse analysiert werden, die sich aus einer Reduzierung der Fahrstreifen für den Autoverkehr ergeben.
Simulation ohne autofreie Nibelungenbrücke
Mittels einer Simulation sollen die Verkehrsströme an der Südseite der Donau analysiert und prognostiziert werden. Das Ganze kostet 70.000 Euro und wird zu gleichen Teilen von Stadt und Land finanziert. Die Simulation einer autofreien Nibelungenbrücke sei derzeit nicht vorgesehen, sagt der Verkehrsreferent Vizebürgermeister Martin Hajart auf Nachfrage. Verkehrsexperte Günter Emberger von der TU Wien meint im Gespräch mit Tips dazu: Eine Simulation sei grundsätzlich gut, diese müsse aber multi-modal und ergebnisoffen sein. Es passiere sehr oft, dass zweckgerichtete Simulationen gemacht würden, besser wäre es, verschiedene Szenarien mit einzubeziehen, zum Beispiel wie sich eine autofreie Brücke auf die Nutzung der Öffis und des Fahrrads auswirkt.
Mehr Autoinfrastruktur bedeutet mehr Verkehr
Die wichtigste Frage, die sich die Stadt Linz und auch das Land Oberösterreich stellen müsse, sei aber die der Zielsetzung. „Wir wissen, dass wir bis 2040 klimaneutralen Verkehr haben müssen oder sollen. Wir wissen aus der Verkehrsplanung heraus, dass wenn Straßen, Fahrbahnen und Brücken gebaut werden, mehr Autoverkehr herrscht. Das widerspricht den Klimazielen“, sagt Emberger. Mit alten Maßnahmen und noch mehr Kapazitätsausbau für den Autoverkehr werde man das Problem nicht in den Griff bekommen. „Wenn sie mehr Autoinfrastruktur anbieten, wird mehr gefahren. Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten“, so der Experte, und weiter: „Neue Brücken und Kapazitätserweiterungen für den Autoverkehr sind Entscheidungen für die nächsten ein, zwei Generationen, damit erhöht man die Autoabhängigkeit der ganzen Region.“
„Klimatechnisch nicht mehr möglich, dass jeder mit dem Auto fährt, wann er will“
Angesprochen darauf, dass viele Menschen mit dem Auto nach Linz einpendeln, weil Alternativen fehlen und viele nicht auf die Flexibilität, die ein Auto bietet, verzichten möchten, meint Emberger: „Es ist einfach klimatechnisch nicht mehr möglich, dass jeder mit dem Auto fährt, wann er will. Wir müssen Verkehrssysteme sinnvoll umgestalten, damit die Leute ihr Verhalten ändern können.“ Zur Erreichung der Klimaziele werde sich jeder ein wenig einschränken müssen. Es liege in der Verantwortung der Politik, das zu kommunizieren und Alternativen zu schaffen. „Wollen Sie den Öffentlichen Verkehr nutzen, ist die falsche Frage. Die Menschen optimieren ihr Verhalten anhand der vorhandenen Rahmenbedingungen.“
Leben ohne Autoabhängigkeit
In Linz hätte man schon viel früher den öffentlichen Verkehr ausbauen müssen, so Emberger weiter. Er meint, es wäre für jeden sinnvoll, zu schauen, wie man sein Leben ohne Autoabhängigkeit organisieren könne, auch wenn es für manche momentan undenkbar sei. Eine autofreie Nibelungenbrücke zu diskutieren, hält er für durchaus legitim, anders als der OÖ. Landesrat für Infrastruktur, Günter Steinkellner. Dieser erklärte die „Utopischen Diskussionen, welche Autos auf der Nibelungenbrücke verbieten, hiermit offiziell für beendet.“ Für die Anrainer der Brücke müsse man dann Lösungen finden, sagt Emberger, und nennt als Beispiel ein Ticketsystem.
Neutrale Betrachtung der Situation
Entscheidend sei aber, dass die Stadt die Situation neutral betrachte: „Was sind die Vor- und Nachteile, da darf ich nicht nur den Autoverkehr hernehmen. Was bedeuten Modal-Split-Veränderungen, was bedeutet es für die Lebensqualität der Menschen, für die Autoabhängigkeit, wenn ich den Öffentlichen Verkehr ausbaue und den Fußgängern mehr Flächen gebe, was heißt das für die Emissionen?“ Ergebnisoffenes Denken, klar messbare Ziele, die öffentlich kommuniziert werden und ein Abgleich mit den gesetzten Maßnahmen: darauf komme es an, so Günter Emberger abschließend.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden