Diskussion um Hitlerhaus wird wieder aufgerollt (Update am 10. Mai um 10.55 Uhr)
BRAUNAU. Der Plan, was mit dem Hitler-Geburtshaus in der Salzburger Vorstadt passieren soll, ist eigentlich fix, wenn es auch zu Verzögerungen in der Umsetzung gekommen ist. Das Innenministerium hat vor, die Polizei dort unterzubringen. Die Initiative „Diskurs Hitler-Haus“ findet sich damit aber noch nicht ab. Sie fordert eine „Denkpause“ angesichts der veränderten Umstände, erneuert die Diskussion um die Nachnutzung und untermauert ihre Kritik mit einer neuen Umfrage.

Seit 2011 steht das Hitler-Haus leer, 2017 erfolgte die Enteignung, 2019 erfolgte der Beschluss, das Haus zu „neutralisieren“ und die Polizei dort unterzubringen. Nach einem Architektenwettbewerb sollte der Umbau laut ursprünglichen Plänen schon begonnen haben. Noch ist aber nichts geschehen, aktuell wird 2026 mit der Fertigstellung geplant.
Diese Verzögerungen und der Umstand, dass sich die geplanten Baukosten vervielfacht haben - aktuell wird laut Initiative „Diskurs Hitler-Haus“ von einer Vervierfachung von fünf auf 20 Millionen Euro ausgegangen - ruft eben diese Initiative auf den Plan. „Es haben sich so viele Parameter geändert, dass es gerechtfertigt ist zu fragen, ob der Plan des Innenministeriums noch Sinn hat“, sind sich die Initiatoren Eveline Doll, Erich Marschall und Reinhold Klika einig. Und haben eine Umfrage in Auftrag gegeben, was aus Sicht der Bevölkerung mit dem Haus passieren soll. „Die Braunauer wurden noch nie wirklich befragt“, so Doll.
„Neutralisierung ad absurdum“
„Die Baukosten haben sich vervierfacht, der Baubeginn verzögert sich laufend, es gibt immer noch kein Bauansuchen bei der Stadtgemeinde“, so Klika. Auch die angestrebte Neutralisierung des Hauses werde „ad absurdum“ geführt – nachdem 2020 von der Stadtgemeinde beschlossen wurde, den Mahnstein vor Ort zu belassen, so die Argumente des Dreiergespanns bei einer Pressekonferenz in Linz.
Doll: „Es gibt auch andere Städte und Orte, die mit Hitler in Verbindung gebracht werden, unter anderem Berlin-Kreuzberg mit dem Führerbunker. Der wurde gesprengt und abgetragen, dort ist jetzt ein Parkplatz. Auf dem halten jetzt Touristenbusse, um Fotos zu machen – soviel zum Thema, ob Neutralisierung realistisch ist.“
Umfrage: 23 Prozent für Abriss
Die vom Linzer market Institut durchgeführte Umfrage im März 2023, österreichweit 1.000 Personen wurden zu allen Ideen, die es bislang zur Nachnutzung gab, befragt, zeigt folgendes Bild: Nur sechs Prozent sind für die Nutzung als Polizeistation. In Summe 53 Prozent der Befragten sind für eine kontextualisierte Nutzung – also entweder Internationaler Gedenkdienst, Filiale vom Haus der Geschichte, Haus der Verantwortung, Haus des Friedens, Friedens-Europaforum oder Kunstinstallation.
Aber: die größte Einzelstimmung gibt es beim Punkt „Abriss“. Die Interpretation: „Viele wollen das Thema nicht mehr hören, sind der Diskussion müde“, glaubt Erich Marschall.
Die Initiative selbst wolle keinen Vorschlag favorisieren, sondern die Diskussion wieder anstoßen.
Nutzung als Polizeistation „fragwürdig“
Unterstützung holt sich die Initiative „Diskurs Hitler-Haus“ von Historiker Professor Roman Sandgruber und Architekt Franz Denk. „Die Geschichte ist verfahren. Man will dem Haus den Mythos nehmen, macht gleichzeitig aber einen teuren Architektenwettbewerb.“ Das Ergebnis sei ein stilisiertes Haus, wie es Hitler-Architekten damals gebaut hätten, bezieht er sich auf den Entwurf.
Architekt Franz Denk, selbst gebürtiger Braunau, sieht einen einwandfrei durchgeführten Architektur-Wettbewerb, kritisiert auch nicht das Siegerprojekt per se, sondern sieht die „Funktionalität und Nutzung für eine Polizeistation nicht gut gelöst.“ Als Beispiel nennt er die Ausfahrt aus der geplanten Tiefgarage, die für Einsatzfahrzeuge fragwürdig sei. „Deswegen braucht es eine Nachdenkpause, eine weitere Diskussion, vor allem unter Einbeziehung der Braunauer“, so der Architekt.
Öffentliche Diskussionsrunde
Am Freitag, 26. Mai, 11 Uhr, lädt die Initiative „Diskurs Hitler-Haus“ zur Diskussionsveranstaltung „Hitlerhaus – was nun?“ im Presseclub Linz (Ursulinenhof an der Landstraße). Mit dabei sind der Braunauer Bürgermeister Hannes Waidbacher, Schriftsteller Ludwig Laher, Conflict-Heritage-Expertin Laura Langeder, Anna Paul (Diskurs Architektur), der Regisseur des Films „Wer hat Angst vor Braunau?“ Günter Schwaiger und der Obmann des Vereins Zeitgeschichtetage Braunau, Florian Kotanko. Angefragt sind auch Vertreter des Innenministeriums. Moderiert wird die Veranstaltung von Tarek Leitner.
Mehr Transparenz gefordert
Der Appell an das Innenministerium der Initiative: Die vielen offenen Fragen und veränderten Voraussetzungen zum Anlass zu nehmen, sich für eine neue Diskussion zu öffnen, um „ein intelligentes, zeitgeschichtliches Statement zu setzen“. Doll: „Wir hinterfragen es massiv, ob eine Polizeistation der Weisheit letzter Schluss ist. Wir wollen mehr Kommunikation und Transparenz, seit Jahren weiß in Braunau niemand wirklich, was jetzt passiert.“ Klika: „Wir sehen uns auch als Sprachrohr für viele Braunauer.“ Man müsse einfach noch einmal schauen, ob das geplante Vorhaben jetzt noch so Sinn mache.
Update am 10. Mai um 10.55 Uhr:
Das Bundesministerium will weiterhin der Empfehlung der „Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“ folgen. Die Kommission empfahl, das Gebäude einer sozialkaritativen oder behördlich-administrativen Nutzung zuzuführen und durch eine architektonische Umgestaltung den Wiedererkennungswert und die Symbolkraft zu entziehen. „Jedes Museum oder jede Veranstaltungsstätte, die sich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit widmet, würde die Verbindung mit der Person Hitlers fortschreiben“, so das Innenministerium.
In dem Gebäude sollen daher das Bezirkspolizeikommando und die Polizeiinspektion Braunau untergebracht werden und das Gebäude soll ein Krisenkoordinationszentrum für den Zivilschutz werden. „Ein weiterer Vorteil der Nutzung durch die Polizei ist, dass Verwaltung und Nutzung des Gebäudes in einer Hand liegen. Das bedeutet eine langwährende stabile Nutzung, keine Kündigungsmöglichkeiten durch etwaige Nutzer und somit eine Gewährleistung des gesetzlichen Enteignungszwecks.“
Die Entscheidung erfolgte nicht nur wegen der Kommissionsempfehlung, sondern auch auf der Basis von rechtlichen Vorgaben. So zitiert das Ministerium das Enteignungsgesetz: „Insbesondere ist darauf zu achten, dass die besondere Aura dieses Ortes dekonstruiert und entmystifiziert wird. Eine Begünstigung der weiteren Assoziierung mit der Person Hitlers oder Identifikation mit der Ideologie des Nationalsozialismus in irgendeiner Form, etwa durch eine dauerhaft betonte Verbindung mit der Person Hitlers, darf nicht stattfinden.“
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